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Besetzung von Aufsichtsräten: Mitarbeiter von Konzernunternehmen im Ausland zählen mit

Sind in Deutschland viele Aufsichtsräte von international tätigen Gesellschaften falsch besetzt? Nach einem Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 16.02.2015 (Az. 3-16 O 1/14) könnte dies wohl zutreffen: Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften müssen nämlich nach dem DrittelbG (Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat) und dem MitbestG (Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer) mitgezählt werden!

Anzahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gesetzlich vorgegeben

Das DrittelbG schreibt vor, dass der Aufsichtsrat (fast aller) Gesellschaften, die in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen,  zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehen muss.

Das MitbestG schreibt sogar vor, dass der Aufsichtsrat zur Hälfte aus Arbeitnehmervertretern bestehen muss, wenn die Gesellschaft mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt.

(Bisher) Herrschende Meinung: Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften werden nicht mitgezählt

Bislang galt als herrschende Meinung, dass Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften nicht mitgezählt werden. Begründet wird dies mit Hinweis auf das Territorialitätsprinzip, wonach sich die deutsche Sozialordnung nicht auf das Hoheitsgebiet anderer Staaten erstrecken kann.

LG Frankfurt: Mitarbeiter ausländischer Konzernunternehmen werden mitgezählt

Das LG Frankfurt am Main entschied am 16.02.2015, dass die Arbeitnehmer im Ausland mitgezählt werden müssen, weil weder das DrittelbG noch das MitbestG nach dem Wortlaut die Mitarbeiter von ausländischen Tochtergesellschaften aus der Mitbestimmung herausnähmen. Vielmehr verwiesen beide Gesetze (§ 5 Abs. 1 MitbestG, § 2 DrittelbG) auf die Regelung über den Konzern (§ 18 Abs. 1 AktG). Bei § 18 AktG sei aber unstrittig, dass auch ausländische Unternehmen Tochtergesellschaften sein können. Daher seien deren Arbeitnehmer mitzuzählen. Bei ausländischen Konzernunternehmen, die ihren Sitz in der EU haben, ergebe sich diese Auslegung zudem (zwingend) aus  dem Diskriminierungsverbot (Art. 19 AEUV). Der entgegenstehende ausdrückliche Wille des Gesetzgebers, der sich aus den Gesetzesmaterialen ergebe, greife nicht durch.

Antragsteller wurde erst am Tag des Antrags Aktionär

Anzumerken ist, dass der Antragsteller ein Professor für Arbeitsrecht war, der erst am Tag des Antrags 100 Namensaktien von der Gesellschaft erwarb. Die Antragsgegnerin verteidigte sich deshalb u.a. mit dem Argument, dass der Antrag schon deswegen unzulässig sei, weil der Antragsteller primär wissenschaftliche Zwecke verfolgte.

Das LG Frankfurt am Main folgte dieser Argumentation nicht. Der Antragsteller war zum Zeitpunkt des Eingangs Aktionär und nur darauf komme es an. Zwar ging auch das Gericht davon aus, dass der Antragsteller primär wissenschaftliche Ziele verfolgte und die Aktien nur erwarb, um den Antrag stellen zu dürfen. Aber es stellte fest, dass es auf die Motive nicht ankomme.

Der Hauptantrag verfolgte das Ziel, feststellen zu lassen, dass das DrittelbG wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht keine Anwendung findet, sodass die Aufsichtsräte nicht – wie bisher – zu einem Drittel bzw. zur Hälfte mit Vertretern der Arbeitnehmer, sondern vollständig ohne Arbeitnehmervertreter zu besetzen seien.

Beschwerde eingelegt

Gegen die Entscheidung wurde mittlerweile Beschwerde eingelegt. Als nächstes wird das OLG Frankfurt am Main über diese entscheiden müssen. Es ist zu erwarten, dass am Ende der BGH die Frage – unter Umständen nach einem Vorlageverfahren an den EuGH – abschließend klären muss.

Falls das OLG oder der BGH die Entscheidung des LG Frankfurt bestätigt, würde dies für viele Gesellschaften gravierende Folgen haben:

– Viele mittelständische Unternehmen müssten erstmals einen mitbestimmten Aufsichtsrat bilden.
– Der Aufsichtsrat größerer Unternehmen müsste anstatt aus einem Drittel zur Hälfte aus Arbeitnehmervertretern bestehen.
– Große Unternehmen müssten die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder anpassen.

Unternehmen sollten sich vorbereiten und Gestaltungsmöglichkeiten prüfen lassen

Unternehmen sollten die Zeit bis zu einer endgültigen Entscheidung nicht untätig verstreichen lassen. Vielmehr können sie sich auf mögliche Statusfeststellungsverfahren vorbereiten und sich Gedanken dazu machen, ob und ggf. wie es sinnvoll sein könnte, einer Neubesetzung des Aufsichtsrats zu entgehen.

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Thomas Schwab

Rechtsanwalt Thomas Schwab ist für WINHELLER überwiegend im Bereich des allgemeinen Zivil- und Vertragsrechts, des Gesellschaftsrechts, des Handelsrechts, des Erbrechts und des internationalen Wirtschaftsrechts tätig.

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