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Stiftungsrecht: Aufgaben und Haftung des Stiftungsvorstands

Stiftungsrecht: Aufgaben und Haftung des Stiftungsvorstands

Die Essener RAG-Stiftung hatte gute Beziehungen zu Unternehmen der österreichischen Signa-Gruppe. Im Rahmen des Zusammenbruchs der Signa-Gruppe wurde nun deutlich, dass die Stiftung bzw. ihre Akteure bei diesen Geschäften womöglich nachlässig handelten. Der Vorgang soll zum Anlass genommen werden, um nochmals auf die Aufgaben, Pflichten und die Haftung des Vorstands einer Stiftung einzugehen.

RAG-Stiftung: Nachlässigkeiten bei Geschäften mit Signa-Gruppe

Die Aufgabe der RAG-Stiftung Essen ist es, die sogenannten Ewigkeitslasten des deutschen Bergbaus zu finanzieren. Dazu zählen insbesondere Grubenwasserhaltung, Poldermaßnahmen und Grundwasserreinigung in den alten Revieren. Für derlei Arbeiten stellt die Stiftung das Geld bereit. Im Jahr 2022 hat die Stiftung insgesamt 247 Millionen Euro für diese Aufgaben ausgegeben.

Da die Stiftung hierdurch im Gemeinwohlinteresse liegende Aufgaben wahrnimmt und auch die Steuerzahler entlasten soll, sitzen in ihrem Kuratorium u.a. die Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen und die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und dem Saarland.

Zugleich ist die RAG-Stiftung einer der Großinvestoren der derzeit kollabierenden Signa-Gruppe unter René Benko. Sie ist unmittelbar an zwei Immobiliengesellschaften der Signa-Gruppe beteiligt. Dabei hält sie 5% der Anteile an der Signa Prime, in der besonders wertvolle Projekte gebündelt sind sowie fast 4% an der Signa Development. Beide Firmen sind seit Ende Dezember insolvent.

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Prekär ist zudem, dass der Finanzvorstand der RAG-Stiftung im Aufsichtsrat beider Unternehmen sitzt. Jedoch fehlte dieser ganz offenbar bei sämtlichen Hauptversammlungen seit 2021. Stattdessen erteilte die Stiftung eine Stimmvollmacht an eine Wiener Anwaltskanzlei und ließ sich im genannten Zeitraum vom ebenfalls bevollmächtigten Finanzvorstand der Signa-Prime vertreten. Dass der Aufsichtsrat zur Beaufsichtigung des Vorstands, damit de facto den Vorstand selbst bevollmächtigt, darf als grenzwertig bezeichnet werden.

Derweil ist zu konstatieren, dass die Stiftung zwischen 176 und 352 Millionen Euro für das Signa-Engagement verwendet – und wohl verloren – hat. Im Verhältnis zum Gesamtvermögen der Stiftung von 17,6 Milliarden Euro sind das zwar nur zwischen 1 bis 2%, aufgrund der besonderen Gegebenheiten rund um den Platz in den Aufsichtsräten der Signa-Gesellschaften stellen sich jedoch generelle Fragen nach Verantwortlichkeit und Haftung.

Aufgaben und Pflichten des Stiftungsvorstands

Der Stiftungsvorstand ist das zentrale Organ der Stiftung. Zu seinen Hauptaufgaben gehören:

  • Vertretung der Stiftung nach außen,
  • interne Geschäftsführung der Stiftung,
  • Verwaltung des Stiftungsvermögens.

Vertretung nach außen bedeutet, dass der Stiftungsvorstand die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich vertritt, für die Stiftung mit Dritten interagiert und z.B. Verträge abschließt. Die interne Geschäftsleitung meint die Betreibung des Tagesgeschäfts der Stiftung, wobei der Vorstand Mitarbeiter führt, Projekte verantwortet und alle sonstigen Tätigkeiten entfaltet, um damit den Stiftungszweck zu erfüllen. Stiftungsspezifisch ist zudem eine der Hauptaufgaben des Vorstands die ordnungsgemäße Verwaltung des Stiftungsvermögens.

Den Stiftungsvorstand treffen dabei neben den allgemeinen Vermögensbetreuungspflichten – die er vor allem im Lichte der Stifterinteressen zu erfüllen hat – weitere stiftungsspezifische Pflichten.

Der Vorstand ist dazu angehalten, das Stiftungsvermögen so zu bewirtschaften, dass bei möglichst niedrigem Risiko ein möglichst auskömmlicher Ertrag erwirtschaftet werden kann. Generell sind „Klumpenrisiken“ zu vermeiden und die Anlageinstrumente und Anlageklassen ausgewogen zu streuen. Maßstab für die Anlageentscheidung ist im Ergebnis die Business Judgment Rule, die seit dem Inkrafttreten der Stiftungsrechtsreform am 01.07.2023 auch in Bezug auf Stiftungen gesetzlich in § 84a Abs. 2 BGB geregelt ist. Danach haben Vorstandsmitglieder bei der Führung der Geschäfte der Stiftung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Mitglied des Organs bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln.

Der Fall der RAG-Stiftung wirft diesbezüglich Fragen auf: Zwar wird man angesichts des im Raume stehenden Totalausfalls des Investments in die Signa-Gruppe nicht von der Realisation eines Klumpenrisikos sprechen können, da der betreffende Betrag offenbar lediglich 1 bis 2% des Gesamtvermögens ausmacht. Andererseits bedarf die Frage näherer Beleuchtung, ob eine ordnungsgemäße, d.h. vor allem persönliche Wahrnehmung der Aufsichtsratsämter durch den Finanzvorstand der Stiftung, einen Totalausfall hätte vermeiden können. Würde sich dieser Verdacht erhärten, käme womöglich eine persönliche Haftung des Vorstandsmitglieds im Innenverhältnis in Betracht.

Haftung des Stiftungsvorstands

Mit den Aufgaben und Pflichten des Stiftungsvorstands gehen jedoch ganz unterschiedliche Möglichkeiten einher, haftungsbegründende Fehler zu begehen. Dabei haftet der Vorstand grundsätzlich unbeschränkt mit seinem Privatvermögen. Bei der Haftung von Stiftungsvorständen, die grundsätzlich unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen haften, ist zwischen der Innen- und der Außenhaftung zu differenzieren.

Die Innenhaftung beschreibt die Haftung von Stiftungsorganen gegenüber ihrer eigenen Stiftung. Neben Fehlern bei der Vermögensbewirtschaftung, in deren Folge ein Teil des Stiftungsvermögens verloren geht, kommen als wichtige haftungsbegründende Ursachen z.B. Fehler in der laufenden Geschäftsführung durch z.B. Abschluss ungünstiger Verträge oder ein Verstoß gegen die Loyalitätspflicht gegenüber der Stiftung in Betracht. Weiterhin haftet der Vorstand auch für Bußgelder wegen z.B. mangelnder Compliance. Ist die Stiftung gemeinnützig, ist ein besonders relevanter Haftungsgrund auch der fehlerhafte Umgang mit Zuwendungsbestätigungen (sog. Spendenquittungen) beispielsweise durch Ausstellung unrichtiger Bestätigungen oder durch eine zweckfremde Verwendung erhaltener Spenden.

Demgegenüber beschreibt die Außenhaftung die Haftung gegenüber Außenstehenden. Praktisch sehr relevant sind hierbei Fälle, in denen der Stiftungsvorstand gegenüber dem Finanzamt wegen nicht rechtzeitig bzw. ordnungsgemäß abgegebener Steuererklärungen bzw. allgemein der Entrichtung von Steuern haftet. Gleiches gilt bei fehlerhafter Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen.

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Elmar Krüsmann

Rechtsanwalt Elmar Krüsmann ist auf die Beratung von Nonprofit-Organisationen, Stiftungen sowie vermögenden Privatpersonen spezialisiert. Oftmals ist er dabei auch mit grenzüberschreitendem Bezug tätig.

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