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Änderung des Vereinszwecks bei Wechsel in die Gemeinnützigkeit

Wechsel des Vereinszwecks

Das Landgericht München hat in seinem Urteil vom 21.10.2022 über einen Fall der Änderung eines Vereinszwecks im Rahmen des Wechsels zur Gemeinnützigkeit entschieden. Die Fragen wann und unter welchen Umständen eine Änderung des Vereinszwecks vorliegt und wann nicht sowie der aktuelle Bezug zur Reform des Stiftungsrechts werden im Folgenden thematisiert.

Verein verwaltet Immobilie

Kläger waren hier die Mitglieder eines eingetragenen Vereins, welcher bislang mit der Verwaltung einer eigenen, zum Teil als Studentenwohnheim genutzten Immobilie befasst war. In dieser Immobilie waren hauptsächlich Mitglieder einer Studentenverbindung wohnhaft, deren Corpsleben über einen nicht eingetragenen Verein („Hauptverein“ der Studentenverbindung) stattfindet. Die Mitglieder dieses nicht eingetragenen Vereins und die Mitglieder des beschriebenen eingetragenen Vereins waren nahezu identisch. Die Immobilie wurde im Weiteren auch für Veranstaltungen der Verbindung genutzt.

Verein möchte gemeinnützig werden

Mittels einer Satzungsänderung wollte der eingetragene Verein es nun ermöglichen, künftig die Vorteile der Gemeinnützigkeit in Anspruch zu nehmen. Hierfür wurde auch der Vereinszweck geändert und dabei neu gefasst. Innerhalb einer ordentlichen Mitgliederversammlung geschah dies mit einer Stimmenverteilung von 27 Ja-Stimmen gegen 8 Nein-Stimmen. Während der alte Vereinszweck im Wesentlichen darauf lautete, die Mitglieder der studentischen Verbindung zu unterstützen sowie deren Werdegang und Entwicklung zu fördern, sah der nun beschlossene Vereinszweck das Betreiben mehrerer Studentenwohnheime für hilfsbedürftige Studenten, deren Förderung und sonstige Studentenhilfe vor. Der alte Vereinszweck war daraufhin nur noch in der Präambel der Vereinssatzung genannt.

Die Kläger waren hierbei der Auffassung, dass sich der neue Vereinszweck massiv vom ursprünglichen unterscheide und eine solche Entscheidung gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB nur mit der Zustimmung aller Mitglieder hätte getroffen werden dürfen. Ziel des Beklagten, des eingetragenen Vereins, war es bisher, einen klar abgrenzbaren Bereich zu fördern, namentlich die Mitglieder des nicht eingetragenen Vereins. Diese klare Abgrenzbarkeit sei nun mit dem neuen Vereinszweck nicht mehrgegeben. Zudem sollte der Verein nun gemeinnützig tätig sein und die Plätze des Studentenwohnheims ohne Rücksicht auf die Corpsmitgliedschaft vergeben.

Wann liegt eine Änderung des Vereinszwecks vor?

Kernfrage der Entscheidung war somit, ob eine Änderung des Vereinszwecks tatsächlich vorlag. Keine Zweckänderung liegt vor, wenn die bisherige Leitidee des jeweiligen Vereins aufrechterhalten wird und der bisherige Zweck lediglich punktuell erweitert, beschränkt oder an veränderte Umstände angepasst wird. Ebenso ist keine Zweckänderung gegeben, wenn bei Vorliegen mehrerer Vereinszwecke lediglich die Gewichtung dieser zueinander umgekehrt bzw. verändert wird.

Eine Zweckänderung ist dann anzunehmen, wenn die ursprünglich gesetzte Leitidee, wegen der sich die Mitglieder überhaupt erst zusammengeschlossen haben, vollkommen verändert oder verworfen wird. Grund dafür ist, dass der Verein dabei einen Charakter annimmt, den keines der Mitglieder zum Zeitpunkt des Beitritts hätte vorhersehen können. Auch die Einführung zusätzlicher Vereinszwecke und die Aufgabe bisher verfolgter Vereinszwecke ist als Zweckänderung anzusehen, da hierdurch zumindest ein Teil der ursprünglichen Leitidee maßgeblich umgestaltet würde.

Müssen alle Mitglieder der Zweckänderung zustimmen?

Zur Änderung des Vereinszwecks ist es grundsätzlich gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlich, dass alle Mitglieder dem zustimmen. Dies ist auch dann der Fall, wenn der bisherige Vereinszweck infolge tatsächlicher Verhältnisse unmöglich wurde und ein neuer Vereinszweck bestimmt werden muss. Die Regelung des § 33 BGB ist jedoch gem. § 40 Satz 1 BGB nachgiebig und damit nur zwingend, wenn der jeweilige Verein diesbezüglich keine abweichende Regelung in seiner Satzung getroffen hat. Ist eine abweichende Regelung in der Satzung getroffen, tritt diese für den jeweiligen Verein an die Stelle der Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB. Folglich kann jeder Verein für sich festlegen, dass es auch die Änderung des Vereinszwecks einer geringeren Mehrheit als der Zustimmung aller Mitglieder bedarf.

LG München: Zweckänderung liegt vor

Das LG München vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem geschilderten Fall um eine Zweckänderung handele. Grund dafür sei, dass sich der bisherige Vereinszweck lediglich in der Präambel wiederfand und dadurch die zunächst formulierte enge Bindung zwischen Verein und Studentenverbindung aufgegeben wurde. Die Leitidee des Vereins ändere sich durch die nunmehr vorgesehene Förderung hilfsbedürftiger Studenten vollkommen, da eine Mitgliedschaft in der Studentenverbindung nicht länger Berücksichtigung findet.

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In Ermangelung einer abweichenden Satzungsregelung war im konkreten Fall § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB anwendbar. Die Zustimmung aller Mitglieder des Vereins zu der Satzungsänderung war jedoch nicht gegeben. Die Satzungsneufassung zur Herbeiführung des eingetragenen Vereins sei somit nichtig.

Bezug zur Reform des Stiftungsrechts zum 01.07.2023

Erwähnenswert ist innerhalb dieser Thematik, dass der Reformgesetzgeber erstmals die vereinsrechtliche Bedeutung der Zweckänderung eines Vereins in das Stiftungsrecht übertragen hat. Der Zweck einer Stiftung ist der Leitsatz der Stiftungstätigkeit, durch den der Stiftung ein festes Ziel gegeben wird, nach dem sie auszurichten ist.

Eine Änderung der Zweckbestimmung im stiftungsrechtlichen Sinn ist nur dann auch eine Zweckänderung, wenn sich dadurch die Ausrichtung der Stiftung in der Gestalt ändert, wie es für den Stifter zu dessen Lebzeiten nicht vorhersehbar war. Eine solche Zweckänderung ist unter anderem in der Änderung oder Ergänzung eines Aufgabengebiets einer Stiftung zu sehen. Für Stiftungen ist dies besonders relevant, da Stiftungsbehörden Ergänzungen um weitere gemeinnützige Förderzwecke i.S.d. § 53 Abs. 2 Satz 1 AO häufig als Zweckänderungen werten und Genehmigungen in diesem Zusammenhang von Zustiftungen abhängig machen. Dieses Vorgehen erscheint jedoch wenig überzeugend, da es sich dabei oft um weniger tiefgreifende Ergänzungen zur Zweckbestimmung der Stiftung handelt, welche noch keiner Zweckänderung gleichkommt, da sie die Ausrichtung der Stiftung nicht oder nur geringfügig ändert.

Bei allen Fragen rund um die Änderung Ihres Vereinszwecks sind Ihnen unsere erfahrenen Berater im Vereinsrecht gerne behilflich. Kommen Sie gern mit Ihren Fragen auf uns zu!

LG München, Urteil vom 21.10.2022 – 25 O 2792/22

Weiterlesen:
Änderung des Vereinszwecks oder einfache Satzungsänderung?
Gemeinnütziger Verein – Gründung, Satzung, Besteuerung

Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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