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Vorfälligkeitsentschädigung: Sondertilgungsrechte müssen berücksichtigt werden

Die Vorfälligkeitsentschädigung ist oftmals eine bittere Pille, die Bankkunden zu schlucken bekommen, wenn sie ihr Darlehen vorzeitig bei der Bank ablösen. Im Grunde ist sie dafür gedacht, der Bank den Ausfall (insbesondere ausbleibende Zinszahlungen) zu ersetzen, den sie dadurch erleidet, dass der Darlehensvertrag nicht ordnungsgemäß bis zu Ende geführt wird. Über die Höhe und die grundsätzliche Berechtigung der Bank, eine solche Entschädigung zu verlangen, kommt es immer wieder zum Streit zwischen Bankkunde und Bank.

Der Bundesgerichtshof hat nun in zwei aktuellen Entscheidungen gerade über Aspekte dieser Frage zu urteilen gehabt.

Sondertilgungsrechte sind bei Berechnung zu berücksichtigen

In der Sache XI ZR 388/14 entschied der BGH, dass es unzulässig ist, in den AGB zu bestimmen, dass vertragliche Sondertilgungsrechte des Kunden bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung keine Berücksichtigung finden. Eine derartige Klausel verstößt nach Auffassung des BGH gegen den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und benachteiligt die Bankkunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

Die gesetzliche Regelung sieht nämlich vor, dass der Bank der Schaden zu ersetzen ist, der dieser aus der vorzeitigen Kündigung entsteht. Maßgeblicher Schaden ist insbesondere der Zinsschaden und der Verwaltungsaufwand der Bank. Die Bank kann demnach aber lediglich den Zinsschaden für den Zeitraum einer rechtlich geschützten Zinserwartung verlangen. Diese Erwartung wird aber gerade durch vereinbarte Sondertilgungsrechte begrenzt. Diese begründen nämlich ein Recht zur teilweisen Rückerstattung des Darlehens durch den Bankkunden ohne eine Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Für diesen Teil hat die Bank daher keine rechtlich geschützte Zinserwartung, da sie mit der Vereinbarung der Sondertilgungsrechte darauf verzichtet hat.

Sondertilgungsrechte müssen mithin bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung grundsätzlich berücksichtigt werden.

Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei Kündigung der Bank wegen Zahlungsverzuges

Wesentlich weittragender noch ist das Urteil des BGH in der Sache XI ZR 103/15. Nachdem der BGH seine Auffassung zu diesem Thema bereits hatte durchscheinen lassen (XI ZR 512/11), entschied das Gericht nun, dass eine Bank, die den Darlehensvertrag kündigt, weil der Darlehensnehmer mit seinen Zahlungen säumig geblieben ist, keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen kann.

Bereits im Verfahren XI ZR 512/11 hatte der BGH geäußert, dass neben dem Verzugsschaden aus § 497 Abs. 1 BGB (und auch schon § 11 des Verbraucherkreditgesetzes) kein Raum für einen weiteren Schadensersatz in Form einer Vorfälligkeitsentschädigung sei. Es widerspräche der Intention und den Regelungen bei Verbraucherkrediten, wenn die Bank aus der Notlage des Kunden Kapital schlage.

Nunmehr entschied das Gericht, dass eine Bank auf den Verzugsschaden beschränkt sei und keine Vorfälligkeitsentschädigung (auch nicht anstatt des Verzugsschadens) geltend machen könnte. Der BGH begründet dies u. a. mit dem Text der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 11/5462, S. 26 zur Vorgängernorm des § 11 VerbrKrG). Der Gesetzgeber hat darin ausgeführt, dass „der Verzugszins nach Schadensersatzgesichtspunkten zu ermitteln und ein Rückgriff auf den Vertragszins grundsätzlich ausgeschlossen“ sein soll.

Damit habe der Gesetzgeber die Schadensberechnungsmöglichkeiten übersichtlich und praktikabel neu regeln wollen. Zugleich sollte dem Verbraucher so die Möglichkeit gegeben werden, die Höhe der zusätzlichen Belastung im Verzugsfall selbst berechnen zu können. Wenn die Bank aber eine kompliziert zu errechnende Vorfälligkeitsentschädigung statt der einfachen Verzugszinsberechnung verlangen könnte, würde dieses Ziel verfehlt.

Vorfälligkeitsentscheidung basiert immer auf vertraglichem Zinssatz

Vor allem aber basiert eine Vorfälligkeitsentschädigung immer auf dem vertraglichen Zinssatz. Würde man der Bank in diesen Fällen also eine Vorfälligkeitsentschädigung zubilligen, würde das vornehmliche Ziel des Gesetzgebers, einen Rückgriff auf den Vertragszins für die Schadensberechnung nach wirksamer Kündigung grundsätzlich auszuschließen, verhindert.

Nach dieser Entscheidung ist nunmehr klar, dass nach einer Kündigung der Bank wegen Zahlungsverzugs eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht verlangt werden kann.

Die hier beschriebenen Entscheidungen zeigen, dass man im Bereich der Vorfälligkeitsentschädigungen nicht alle Forderungen der Banken einfach hinnehmen sollte. Oftmals lohnt es sich, genau hinzusehen und unberechtigte Forderungen dann abzuwenden. Gerne sind Ihnen unsere Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht dabei behilflich.

 

Dr. Annette Wagemann

Dr. Annette Wagemann ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und berät Unternehmen und deren Manager umfassend zu wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen. Bei WINHELLER ist sie auf die rechtliche Strukturierung von Geschäftsmodellen, Corporate Governance und Compliance spezialisiert.

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