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Wissenschaftliches Editieren ist gemeinnützige Zweckverfolgung

Wissenschaftliches Editieren fördert gemeinnützigen Zweck

Wann fördert eine gemeinnützige Körperschaft eigene Zwecke und ab wann wird sie nur für einen anderen tätig? Dies beschäftigte kürzlich den BFH bei der Frage, ob ein Verein, der ein sog. Peer-Review-Verfahren für Open-Access-Publikationen durchführt, damit seine gemeinnützigen Zwecke verfolgt.

gGmbH prüft wissenschaftliche Publikationen

Im vom BFH entschiedenen Fall ist eine deutsche gGmbH Teilhaberin einer amerikanischen Limited Liability Company. Diese amerikanische Gesellschaft publiziert wissenschaftliche Aufsätze in einem Online-Journal als sog. Open-Access-Veröffentlichung kostenlos und für die Allgemeinheit zugänglich. Im Rahmen dieser Tätigkeit beauftragte die amerikanische Gesellschaft die deutsche gGmbH gegen Entgelt zur Prüfung der wissenschaftlichen Aufsätze. Diese Prüfung fand in einem Peer-Review-Verfahren statt. Das Verfahren wurde in mehreren Schritten durchgeführt:

  1. Zunächst werden die Arbeiten durch eine Editorin der gGmbH auf die Einhaltung von wissenschaftlichen Mindeststandards und anderen Vorgaben der Zeitschrift überprüft.
  2. Ist die erste Prüfung positiv, wird im zweiten Schritt die Belastbarkeit der wissenschaftlichen Thesen überprüft. Dazu werden externe, fachkundige Gutachter hinzugezogen, die die Thesen und Experimente umfassend prüfen und diskutieren.
  3. Im dritten Schritt entscheidet die Editorin dann auf Grundlage der Gutachten über das weitere Vorgehen. Dabei kann sie die Arbeit an den Autor zur Überarbeitung zurückverweisen, sie ganz ablehnen oder in seltenen Fällen direkt annehmen.

Erst wenn die Überprüfung vollständig und positiv abgeschlossen worden ist, werden die Arbeiten an die amerikanische Limited zur Veröffentlichung freigegeben. Dabei halten viele Arbeiten der Überprüfung nicht stand und müssen von den Autoren nachgebessert werden.

Lektorat nur unterstützende Tätigkeit für die Limited und keine Zweckverfolgung

Als gGmbH hatte die Klägerin ihren Zweck in der Förderung von Wissenschaft und Forschung. Dieser sollte insbesondere durch die Veröffentlichung wissenschaftlicher Beiträge und die Zurverfügungstellung von Techniken zur Informationsfindung verwirklicht werden. Um diese Tätigkeiten durchzuführen, beschäftigte die gGmbH eine wissenschaftliche Editorin sowie eine Assistentin.

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Das Finanzamt sah die Überprüfung (Editorentätigkeit) nicht als Zweckverfolgung, sondern als Hilfstätigkeit für die amerikanische Gesellschaft und somit als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb an. Begründet wurde dies u.a. mit der Einschätzung, dass die gGmbH neben der Editorentätigkeit keine weiteren Aufgaben wahrnahm, insbesondere nicht selbst publizierte oder forschte.

Auch das Finanzgericht Baden-Württemberg sah in der Tätigkeit der gGmbH keinen Zweckbetrieb. Es führt an, dass die gGmbH in erster Linie ihre Vertragspflichten gegenüber der amerikanischen Gesellschaft erfüllt und nicht selbstständig tätig ist. Zudem sei die Angabe von Gewinnchancen im Jahresabschluss ein Indiz dafür, dass die gGmbH in einer Wettbewerbssituation mit vergleichbaren kommerziellen Zeitschriften stehe.

BFH: Wissenschaftliches Editieren ist Zweckverfolgung

Das Finanzgericht – so der BFH – gehe zum einen rechtsfehlerhaft davon aus, dass die Förderung der begünstigten Zwecke nicht den Hauptzweck der Tätigkeit der gGmbH darstellte. Es nehme zu Unrecht an, dass die Editorentätigkeit als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nur Selbstzweck der gGmbH sei.

Denn gerade die Editorentätigkeit fördere die gemeinnützigen Zwecke der gGmbH. Anders als das FG sieht der BFH die Förderung der Allgemeinheit durch die Open-Access-Veröffentlichung als gegeben an.

Die gGmbH übernehme durch das Editieren die wissenschaftliche Verantwortung für die Auswahl und Überprüfung der Arbeiten. Damit stelle sie eine hohe wissenschaftliche Qualität der Zeitschrift sicher und ermögliche zum einen Wissenschaftlern die Veröffentlichung ihrer Arbeiten und zum anderen einen wissenschaftlichen Austausch über deren Ergebnisse im Sinne der Forschung.

Zweckverfolgung war auch selbstlos

Zum anderen sei das Finanzgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die gGmbH nicht selbstlos (§ 55 Abs. 1 AO) bei der Förderung der steuerbegünstigten Zwecke Wissenschaft und Forschung tätig gewesen sei.

Nicht selbstlos tätig ist eine Körperschaft dann, wenn sie in erster Linie eigene wirtschaftliche Zwecke fördert. Das Finanzgericht hatte eigene wirtschaftliche Interessen aus der Angabe von Gewinnchancen im Jahresabschluss abgeleitet.

Dem BFH reicht aber allein die Möglichkeit von Gewinnchancen nicht für die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht und mithin einer nicht vorhandenen Selbstlosigkeit aus.

gGmbH hat ihre Zwecke auch unmittelbar gefördert

Zudem war die gGmbH nicht lediglich als Hilfsperson der amerikanischen Gesellschaft tätig, sondern hat gemeinnützige Zwecke selbst gefördert. Dadurch, dass die wissenschaftlichen Arbeiten direkt von der gGmbH zur Veröffentlichung freigegeben wurden, war die Förderung unmittelbar, denn schlussendlich war die amerikanische Gesellschaft lediglich das Medium, welches die von der gGmbH ausgewählten Inhalte der Öffentlichkeit anbot.

Umfassende Beratung zu gemeinnützigen Zecken

Ob durch eine bestimmte Tätigkeit eine unmittelbare Verfolgung der gemeinnützigen Zwecke vorliegt, ist häufiger zweifelhaft. Lassen Sie sich daher professionell von uns beraten.

BFH, Urteil v. 12.05.2022, AK V R 37/20

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Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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