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Wer haftet bei fehlerhafter Begutachtung eines Wertpapierprospekts?

Wenn eine Aktiengesellschaft ihre Aktien verkaufen will, möchte sie sich natürlich so attraktiv wie möglich darstellen und für sich werben. Daher wird sie in ihren Wertpapierprospekten oft auch die Gewinnerwartungen für die nächsten Jahre mit angeben. AGs sind zwar nicht verpflichtet, Gewinnprognosen abzugeben, aber wenn sie es tun, müssen die von der AG erstellten Gewinnprognosen von einem Wirtschaftsprüfer überprüft und in einem Prüfbericht, dem sog. Testat, bestätigt werden. Aber was passiert, wenn der Bericht fehlerhaft ist, ein Gewinn ausbleibt und der Kapitalanleger im Vertrauen auf den prognostizierten Gewinn bereits Aktien gekauft hat?

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Die Frage lautet dann: Gegen wen hat der Kapitalanleger einen Anspruch: Gegen die AG oder gegen den Wirtschaftsprüfer? Einen Vertrag hat er mit der AG geschlossen, doch Schuld am Schaden hat der Wirtschaftsprüfer, da er den Prüfbericht nicht ordnungsgemäß erstellt hat. Eine Lösung bietet der sog. „Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter“. In dieser Konstellation hat jemand, hier der Kapitalanleger, einen Anspruch gegen den Schädiger, auch wenn er mit diesem gar keinen Vertrag geschlossen hat. Um Rechte aus der o.g. Konstellation geltend machen zu können, muss der Kapitalanleger allerdings in den Vertrag zwischen dem Wirtschaftsprüfer und der AG einbezogen worden sein.

Voraussetzungen: Fürsorgepflicht, Schutzinteresse, Kenntnis, Schutzbedürftigkeit

Ob der Kapitalanleger tatsächlich in den Vertrag zwischen Wirtschaftsprüfer und AG einbezogen ist, hängt davon ab, ob der Wirtschaftsprüfer eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Kapitalanleger hat. Unter Fürsorgepflicht versteht man grundsätzlich jegliche Art von Verantwortung, die auf einem engeren Verhältnis beruht, z.B. Familienverhältnisse. Arbeits- oder Mietverhältnisse gehören ebenfalls dazu. Der BGH hat die Schutzwirkung außerdem auf Personen erweitert, die mit dem Vertragsgegenstand in Berührung kommen. Auch der Kapitalanleger ist entsprechend geschützt, da seine Kaufentscheidung maßgeblich auf die Aussagen im Wertpapierprospekt zurückgeht.

Des Weiteren muss die AG ein besonderes Interesse am Schutz des Kapitalanlegers haben und dieses Interesse muss für den Wirtschaftsprüfer auch erkennbar sein.

Die letzte Voraussetzung ist, dass der Kapitalanleger seine Rechte ohne Rückgriff auf das Institut des „Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter“ weder gegen seinen Vertragspartner (die AG) noch gegen den Schädiger (den Wirtschaftsprüfer) geltend machen kann (Schutzbedürftigkeit). Denn dann hätte er ja eigene Ansprüche und bräuchte nicht die Schutzwirkung eines ihm fremden Vertrages.

Auch andere Sachverständige haften

Vergleichbares gilt in vielen anderen Fällen, in denen Personen, die über eine vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen, gutachterliche Stellungnahmen abgeben. Wer z.B. ein Haus verkaufen will und einen Bausachverständigen beauftragt, um die Käufer mit einem geprüften „guten Zustand“ des Hauses anzulocken oder um den Kaufpreis zu ermitteln, befindet sich in einer ähnlichen Situation wie die oben beschriebene AG. Wenn das Haus letztendlich nicht die im Gutachten angegebenen Merkmale und Eigenschaften aufweist und der neue Eigentümer deswegen einen finanziellen Schaden erleidet, haftet der Bausachverständige, ähnlich wie der Wirtschaftsprüfer im obigen Beispielfall.

Weiterlesen:
Erstellung eines Wertpapierprospekts

Urteil des BGH III ZR 156/13 v. 24.04.2014

Dr. Annette Wagemann

Dr. Annette Wagemann ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und berät Unternehmen und deren Manager umfassend zu wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen. Bei WINHELLER ist sie auf die rechtliche Strukturierung von Geschäftsmodellen, Corporate Governance und Compliance spezialisiert.

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