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Ende der Wahlfreiheit: Umsatzsteuer bei Sportvereinen

Ende der Wahlfreiheit: Umsatzsteuer bei Sportvereinen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Entscheidung vom 10.12.2020 klargestellt, dass für die Umsatzsteuerbefreiung von Sportvereinen allein das nationale Recht maßgeblich ist. Der EuGH stellt sich damit ausdrücklich gegen den Bundesfinanzhof (BFH), der seine künftige Rechtsprechung zur Umsatzsteuerbefreiung von Sportvereinen an den Vorgaben des EuGH ausrichten muss.

Golfverein streitet sich mit Finanzamt

Ursache für die Entscheidung des EuGH war ein Streit zwischen einem Golfverein und dem Finanzamt. Während der Verein seine Einnahmen, bestehend aus Startgebühren für Golfturniere, Benutzungsgebühren für den Golfplatz (sog. Greenfee) und Mietgebühren für Golfbälle und Caddys als umsatzsteuerfrei behandelte, war das Finanzamt der Ansicht, dass diese Einnahmen umsatzsteuerpflichtig seien. Es erließ daher einen Umsatzsteuerbescheid mit einer hohen Umsatzsteuernachzahlung. Gegen das Vorgehen des Finanzamts wehrte sich der Verein mit dem Argument, dass ihm nach der Rechtsprechung des BFH ein Wahlrecht zustehe, wonach er frei entscheiden könne, ob er diese Einnahmen als umsatzsteuerpflichtig oder als umsatzsteuerfrei behandle.

Unterschiede zwischen UStG und MwStSystRL

Der Grund für das Wahlrecht: Die sog. Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL), auf der das deutsche Umsatzsteuergesetz (UStG) basiert, ist in Bezug auf Umsatzsteuerbefreiungen für sportliche Dienstleistungen inhaltlich weiter gefasst als die entsprechende deutsche Regelung in § 4 Nr. 22 b) UStG. Denn § 4 Nr. 22 b) UStG befreit lediglich die Teilnahmegebühren für sportliche Veranstaltungen von u.a. gemeinnützigen Organisationen von der Umsatzsteuer. Damit wären nur die Startgebühren vom Anwendungsbereich des § 4 Nr. 22 b) UStG erfasst, die Nutzungs- und Mietgebühren jedoch nicht.

Dagegen befreit Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL bestimmte, in einem engen Zusammenhang mit dem Sport stehende Dienstleistungen, sodass nach der Richtlinie die Start-, Nutzungs- und Mietgebühren vollständig von der Umsatzsteuer befreit wären.

Umsatzsteuerliches Wahlrecht für Sportvereine

Nach Ansicht des BFH konnten sich betroffene Sportvereine daher in solchen Fällen unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL berufen und dadurch erreichen, dass ihre Umsätze als umsatzsteuerfrei behandelt wurden. Die Sportvereine konnten jedoch auch auf die Ausübung ihres faktischen Wahlrechts verzichten, mit der Folge, dass das Finanzamt die Umsätze auf Grundlage der deutschen Regelung als umsatzsteuerpflichtig behandelte. Der Vorteil: Aufgrund der Umsatzsteuerpflicht erhielten die Vereine das Recht zum Vorsteuerabzug. Ob letztendlich die Umsatzsteuerfreiheit oder die Umsatzsteuerpflicht für einen Sportverein steuerlich vorteilhafter war, hing von den Umständen des Einzelfalls ab.

Zweifel an der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie

Der Streit zwischen dem Verein und dem Finanzamt landete schließlich vor dem BFH. Dieser hatte aufgrund eines EuGH-Urteils aus dem Jahr 2017 zur Umsatzsteuerfreiheit von kulturellen Dienstleistungen mittlerweile Zweifel an seiner bisherigen Rechtsprechung. In diesem Urteil hatte der EuGH die Frage beantwortet, ob sich Anbieter von kulturellen Dienstleistungen unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 n) MwStSystRL berufen können. Denn nach dieser Vorschrift sind bestimmte kulturelle Dienstleistungen von der Umsatzsteuer befreit. Der Gerichtshof entschied, dass das Wort „bestimmte“ den Mitgliedsstaaten einen Ermessensspielraum eröffne, den Anwendungsbereich der Norm auf eine Auswahl von kulturellen Dienstleistungen zu beschränken. Folglich könnten sich nicht sämtliche Anbieter kultureller Leistungen direkt auf die Richtlinie berufen.

Das Problem: Der Wortlaut dieser Vorschrift ähnelt dem Wortlaut des Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL, der bestimmte, in einem engen Zusammenhang mit Sport stehende Dienstleistungen von der Umsatzsteuer befreit. Der BFH entschied daher, dem EuGH die Frage vorzulegen, ob sich der Sportverein unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL berufen darf oder ob allein § 4 Nr. 22 b) UStG maßgeblich ist.

Keine unmittelbare Wirkung der Richtlinie

Der EuGH entschied, dass sich Sportvereine nicht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 m) MWStSystRL berufen können. Genau wie bei seiner vorherigen Entscheidung zur Umsatzsteuerbefreiung von kulturellen Dienstleistungen stellte er klar, dass den Mitgliedsstaaten aufgrund des klaren Wortlauts der Richtlinie ein Ermessensspielraum zustehe. Die Mitgliedsstaaten seien nicht dazu verpflichtet, alle Dienstleistungen, die in einem engen Zusammenhang mit Sport stünden, von der Umsatzsteuer zu befreien. Sie könnten frei entscheiden, welche Dienstleistungen sie von der Umsatzsteuer befreien möchten und welche nicht. Im Ergebnis ist daher allein das nationale Recht maßgeblich, sodass bei Dienstleistungen, die in einem engen Zusammenhang mit Sport stehen, ausschließlich § 4 Nr. 22 b) UStG Anwendung findet.

Unsere Bewertung des EuGH-Urteils

Wir halten die Entscheidung des EuGH für richtig. Der europäische Gesetzgeber hat den Mitgliedsstaaten in den entsprechenden Vorschriften der Richtlinie einen Ermessensspielraum bei der Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht zuerkannt, den Deutschland zu Recht genutzt hat.

Sportvereine sollten sich steuerlich beraten lassen

Künftig werden Sportvereine kein Wahlrecht mehr zwischen einer Steuerbefreiung ohne Vorsteuerabzugsrecht nach EU-Recht und einer Umsatzsteuerpflicht mit Vorsteuerabzugsrecht nach nationalem Recht haben. Von dieser Entscheidung sind alle Sportvereine betroffen, die neben ihren Mitgliedsbeiträgen noch über andere Einnahmen, insbesondere aus der Nutzungsüberlassung von Sportanlagen- und Geräten, verfügen und diese bisher als umsatzsteuerfrei behandelt haben. Dies wird nun nicht mehr möglich sein.

Abzuwarten bleibt, wie die Finanzverwaltung die Folgen des Wegfalls der Wahlfreiheit behandeln wird. Sportvereine sollten von ihrem Steuerberater prüfen lassen, inwieweit eine rückwirkende Korrektur der Umsatzsteuererklärungen bzw. der Umsatzsteuervoranmeldungen möglich ist und welche weiteren Maßnahmen ergriffen werden müssen, um Überraschungen bei der nächsten Betriebsprüfung zu vermeiden. Ebenfalls sollte geprüft werden, ob den Vereinen für alle noch nicht bestandskräftigen Veranlagungen Vertrauensschutz nach § 176 der Abgabenordnung (AO) zu gewähren ist. Für die Zukunft wird die Nutzungsüberlassung von Sportanlagen- und Geräten jedenfalls der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Wir beraten Sie gerne bei allen steuerlichen und rechtlichen Fragen in diesem Zusammenhang.

EuGH, Urteil v. 10.12.2020, C-488/18 (Golfclub Schloss Igling)

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Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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