Das Hessische Finanzgericht (FG) hatte im Fall einer Behindertenwerkstatt zu entscheiden, wann Leistungen zur Erzielung umsatzsteuerfreier Umsätze bezogen werden und damit den Vorsteuerabzug ausschließen.
Vorsteuerabzug nur bei umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen
Unternehmer sind (im umsatzsteuerrechtlichen Sinne) zum Abzug der ihnen von Lieferanten und Dienstleistern in Rechnung gestellten Umsatzsteuer (sog. Vorsteuer) berechtigt. Voraussetzung ist allerdings, dass diese selbst wieder Umsatzsteuer auf ihre Lieferungen und Leistungen abführen, da der Fiskus ansonsten leer ausgehen würde.
Unternehmer mit weniger als 17.500 Euro Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr und voraussichtlich maximal 50.000 Euro Umsatz im laufenden Kalenderjahr, die keine Umsatzsteuer abführen müssen, sind daher vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, wenn sie nicht auf die Anwendung der sog. Kleinunternehmerregelung verzichten. Gleiches gilt für (gemeinnützige) Organisationen, wenn deren Umsätze steuerfrei sind.
Behindertenwerkstätten (teilweise) von der Umsatzsteuer befreit
Das Hessische FG hatte nun einen Fall vorliegen, in dem der Träger einer Behindertenwerkstatt umfangreiche Leistungen von Taxi- und Bustransportunternehmen bezogen hatte, um seine behinderten Arbeitnehmer von deren Wohnheimen in die Werkstätten zu befördern. Er machte die entsprechenden Vorsteuerbeträge geltend, da er der Auffassung war, die Transportleistungen seien den umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen der Werkstatt zuzurechnen, also dem Verkauf der dort gefertigten Produkte.
Das FG entschied jedoch, ebenso wie die Außenprüfung durch das zuständige Finanzamt zuvor, dass die Beschäftigung der behinderten Arbeitnehmer zugleich deren Pflege diene und die Tätigkeit als reine Arbeitnehmer zur Produktion der zu verkaufenden Gewerke in den Hintergrund rücke. Diese Pflegeleistungen gegenüber behinderten Menschen sind jedoch gemäß § 4 Nr. 18 UStG von der Umsatzsteuer befreit, d.h. damit im Zusammenhang stehende Rechnungen berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug.
NPOs unterschätzen Risiken häufig
Viele Nonprofit-Organisationen unterschätzen die Bedeutung des Umsatzsteuerrechts bei ihrem Wirken, weil sie in der Körperschaft- und Gewerbesteuer (ggf. mit Ausnahme ihrer steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe) insgesamt steuerbefreit sind. Behindertenwerkstätten etwa gelten gemäß § 68 Nr. 3 a) AO als sog. Zweckbetriebe, auf ihre Gewinne müssen daher keine Ertragsteuern entrichtet werden. Verkäufe der in Behindertenwerkstätten gefertigten Produkte sind allerdings umsatzsteuerpflichtig und zwar mit 7% der Verkaufserlöse.
Umsatzsteuerliche Fragen stellen sich übrigens nicht nur bei wirtschaftlicher Tätigkeit wie im vorliegendem Fall, sondern schon bei der Erhebung von Mitgliedsbeiträgen und Einnahmen aus Sponsoring. Besonders kritisch ist das Umsatzsteuerrecht deshalb, weil grundsätzlich selbst errechnete Vorauszahlungen zu leisten sind. Werden Umsätze anschließend in der Jahreserklärung durch das Finanzamt abweichend von der eigenen Auffassung bewertet, drohen mitunter hohe Nachzahlungen, für die meist keine Rückstellungen gebildet wurden. Es drohen dann auch Haftungsrisiken und Verfahren wegen Steuerhinterziehung, wenn die fehlerhafte umsatzsteuerrechtliche Einordnung hätte bekannt sein müssen.
Hessisches FG, Urteil vom 18.10.2018, Az. 6 K 1715/17
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