Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner Entscheidung vom 21.04.2021 klargestellt, dass die Übernahme von Verwaltungsleistungen für Medizinische Dienste der Krankenversicherungen (MDK) nicht von der Umsatzsteuer befreit ist. Die Grundsätze dieser Entscheidung sind nicht nur für MDKs, sondern auch für die zahlreichen NPOs von Relevanz, die im sozialen Bereich tätig sind.
MDK erbringt Verwaltungsleistungen an andere MDKs
In dem Fall vor dem BFH ging es um eine MDK in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, die die Verwaltungsaufgaben anderer MDKs, wie z.B. die Erstellung von Gutachten nach Diktat oder die Archivierung von Akten gegen Entgelt, übernahm. Umsatzsteuer führte die MDK nicht ab – sie war der Auffassung, dass die erbrachten Verwaltungsleistungen von der Umsatzsteuer befreit seien.
Verwaltungsleistungen sind umsatzsteuerpflichtig
Das Finanzamt war jedoch gegenteiliger Ansicht und setzte eine hohe Umsatzsteuernachzahlung fest. Nachdem der Einspruch der MDK gegen die Nachzahlung erfolglos geblieben war, reichte sie schließlich Klage ein – ohne Erfolg, denn das Finanzgericht bestätigte die Entscheidung des Finanzamts.
Auch die anschließende Revision der MDK beim BFH blieb ohne Erfolg: Die Münchner Richter wiesen die Revision der MDK ab und bestätigten das Urteil der Vorinstanz. Der Grund: Die erbrachten Verwaltungsleistungen seien weder nach nationalem noch nach Unionsrecht von der Umsatzsteuer befreit, so das Gericht.
BFH: Keine Befreiung nach nationalem…
Eine Befreiung nach nationalem Recht gemäß § 4 Nr. 15a Umsatzsteuergesetz (UStG) scheide aus, da diese Vorschrift nur die gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen der MDKs, wie z.B. die medizinische Begutachtung von Versicherten, von der Umsatzsteuer befreit. Die Übernahme von Verwaltungsaufgaben anderer MDKs gehöre jedoch nicht zu den gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen einer MDK, sodass sie nicht nach § 4 Nr. 15a UStG von der Umsatzsteuer befreit werden könne.
…und Unionsrecht
Die MDK könne sich zudem nicht unmittelbar auf die Mehrwertsteuersystemrichtlinie berufen, so die Richter. Denn bei den erbrachten Verwaltungsleistungen handle es sich nicht um „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“. Insbesondere seien diese Leistungen nicht unerlässlich für die gutachterliche Tätigkeit der MDKs. Die Erstellung von Gutachten nach Diktat oder die Archivierung von Akten könnten nämlich auch von externen Unternehmen erbracht werden.
NPOs sollten miteinander kooperieren
Diese Entscheidung zeigt: NPOs müssen aus umsatzsteuerlicher Sicht aufpassen, wenn eine NPO die Verwaltungsaufgaben einer anderen NPO gegen Entgelt übernimmt. Stattdessen sollten NPOs miteinander kooperieren und ihre Verwaltungstätigkeiten gemeinsam erbringen. Alternativ können sie ihre Verwaltungstätigkeit auch auf eine Servicegesellschaft auslagern und somit mit ihrer Tochter-/Servicegesellschaft kooperieren.
Beide Fälle werden vom neuen § 57 Abs. 3 AO erfasst, der Ende letzten Jahres im Rahmen der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts eingeführt wurde. Diese neue Vorschrift fingiert eine unmittelbare Zweckverwirklichung der kooperierenden Organisationen, sofern diese nach ihrer Satzung planmäßig zur Verwirklichung eines steuerbegünstigten Zweckes zusammenwirken, mit der Folge, dass diese ihre Verwaltungsleistungen im Rahmen eines Zweckbetriebs erbringen. Der Vorteil: Statt dem Regelsteuersatz von 19% könnten die Umsätze unter gewissen Umständen dem ermäßigten Steuersatz von 7% unterworfen werden. Die Finanzverwaltung verlangt für die Anwendung des § 57 Abs. 3 AO jedoch zusätzlich, dass die Satzung der beteiligten Organisation eine Angabe darüber enthält, mit wem sie kooperieren und wie die Kooperation ausgestaltet ist. Die Auffassung der Finanzverwaltung ist zu kritisieren, da sie keine Grundlage im Gesetz findet.
Alternativ könnten NPOs auch eine umsatzsteuerliche Organschaft mit ihren Servicegesellschaft begründen, mit der Folge, dass die Leistungen zwischen der NPO und der Servicegesellschaften von vornherein nicht der Umsatzsteuer unterfallen, da sie nicht steuerbare Innenumsätze darstellen. Welche Option für Ihre NPO die richtige Lösung ist – dazu beraten Sie unsere Experten für Umsatzsteuerrecht gern.
BFH, Urteil v. 21.04.2021 – XI R 31/20 (XI R 34/18)
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