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Vertragsrecht: Sonderkündigungsrechte wegen Sanktionen gegen Russland

Vertragsrecht: Sonderkündigungsrechte wegen Sanktionen gegen Russland

Unternehmen und NPOs, die Geschäftsbeziehungen zu russischen Partnern unterhalten, könnten hohe Geldstrafen oder sogar strafrechtliche Ermittlungen drohen, falls sie gegen geltende Sanktionen der EU gegenüber Russland aufgrund des Krieges in der Ukraine verstoßen. Es stellt sich daher die Frage, inwiefern sich Unternehmen und NPOs aus ihren Verträgen mit russischen Partnern lösen können, ohne sich dabei schadensersatzpflichtig zu machen.

Was wurde vertraglich vereinbart?

Im Vertragsrecht gilt der Grundsatz „pacta sunt servanda“. Danach müssen Verträge eingehalten werden. Wer die Lieferung von Waren bestellt oder Dienstleistungen beauftragt, muss sie auch abnehmen und dafür die vereinbarte Gegenleistung (Zahlung) vornehmen. Ob eine Stornierung (Rücktritt, Kündigung, Auflösung) des Vertrages möglich ist, richtet sich zunächst nach den zwischen den Parteien individuell vereinbarten Einzelheiten des Vertrages.

Die Parteien könnten z.B. eine Stornierungsklausel vereinbart haben, die im Falle einer Stornierung entweder Stornierungsgebühren bzw. Vertragsstrafen oder keinerlei rechtliche Konsequenzen (sog. gebührenfreie Stornierungsklausel) vorsieht. Viele Verträge sehen zudem bestimmte Fristen für die Ausübung dieses Rechts vor. Außerdem kann der Vertrag von vorneherein unter eine sog. aufschiebende Bedingung gestellt werden, sodass er erst wirksam wird, wenn eine entsprechende Ex- oder Importgenehmigung vorliegt.

Gesetzliche Regelungen bei der Kündigung von Verträgen

Darüber hinaus stehen den Parteien gesetzliche Kündigungsrechte, Rücktrittsrechte und Vertragsanpassungsrechte zu. Diese ergeben sich unter anderem aus den Regeln zur Leistungsstörung. Entscheidend ist dabei zunächst, dass deutsches Recht auf den betreffenden Vertrag anwendbar ist. Ist das gegeben, dann kommt insbesondere die „Unmöglichkeit“ aus § 275 BGB in Betracht. Konkret heißt das: Wenn der Verkäufer die Leistung nicht erbringen kann, wird der Vertrag „aufgelöst“ und der Verkäufer muss je nach eigener Schuld dem Gläubiger dessen Schaden ersetzten.

Liegt eine solche Unmöglichkeit vor und wird der Vertrag von Gesetzes wegen aufgelöst, hat das zur Folge, dass

  1. der Anspruch auf die Gegenleistung (meist die Bezahlung) entfällt und
  2. ein Rücktrittsrecht und Schadensersatzansprüche der anderen Seite entstehen, wenn der Verkäufer die Unmöglichkeit zu verantworten hatte.

Vertragsauflösung wegen Unmöglichkeit

Im Kontext des Krieges in der Ukraine stellt sich damit erst einmal die Frage, ob staatliche Sanktionen eine Unmöglichkeit der Leistung begründen. Staatliche Sanktionen sind z.B. Ausfuhrverbote des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Im Rahmen eines Vertrages zum Verkauf von Leistungen heißt das, dass die Waren zwar auch weiterhin über die Grenze gebracht werden könnten (keine tatsächliche Unmöglichkeit), die Kaufleute damit aber gegen das Verbot verstoßen würden. Da ein solcher Verstoß laut BGH (BGH Urteil vom 08.06.1983, VIII ZR 77/82, NJW 1983 S. 2873) nicht von einem Kaufmann zur Erfüllung seiner Vertragspflichten erwartet werden könne, liegt eine sog. rechtliche Unmöglichkeit vor. Somit ist der Verkäufer zunächst von seiner Leistungspflicht befreit.

Um keinen Schadensersatzansprüchen des Gegenübers ausgeliefert zu sein, darf der Verkäufer die Unmöglichkeit nicht zu vertreten haben. Zu vertreten hat er den Umstand dann, wenn er den Vertrag z.B. im Wissen der Sanktionen (also der Unmöglichkeit) geschlossen hat oder sich bei der zuständigen Behörde nicht stark genug für eine Exportgenehmigung eingesetzt hat.

Regelung zur Störung der Geschäftsgrundlage

Zu beachten ist auch die Regelung zur Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Daraus resultiert auf erster Stufe die Vertragsanpassung an die geänderten Umstände. Sollte eine derartige Vertragsanpassung (z.B. spätere Lieferung) nicht möglich oder für die Vertragsparteien unzumutbar sein, ist auf der zweiten Stufe die Vertragsaufhebung gem. § 313 Abs. 3 BGB möglich. Ob eine Vertragsanpassung unzumutbar ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, weil § 313 Abs. 3 BGB für eine Vielzahl von Extremfällen geschaffen wurde.

Enthält der Vertrag eine Höhere-Gewalt-Klausel?

Bereits die Coronapandemie hat gezeigt, dass viele NPOs und Unternehmen auch in rechtlicher Hinsicht nicht auf Ausnahmesituationen wie Pandemien, Naturkatastrophen und politische Krisen vorbereitet waren. Der Grund: Viele Verträge enthielten keine sog. Force-Majeure-Klauseln, in denen die Vertragsparteien die Folgen von unvorhersehbaren und unvermeidlichen Ereignissen höherer Gewalt regeln können. Inhaltlich sehen diese Klauseln neben der temporären Suspendierung der gegenseitigen Leistungspflichten einen Ausschluss von Schadensersatzansprüchen vor und räumen den Parteien zudem umfangreiche Kündigungs-, Rücktritts- und Vertragsanpassungsrechte ein.

Das BGB enthält zwar auch entsprechende Rechte. Zu beachten ist jedoch, dass das BGB keine Fälle von höherer Gewalt kennt, sondern nur gewöhnliche Fälle von Leistungsstörungen, sodass die Anwendung des BGB im Einzelfall zu ungewollten Ergebnissen führen kann. Force-Majeure-Klauseln sind daher stets den gesetzlichen Regelungen vorzuziehen, da sie auf die individuelle Situation der Vertragsparteien abgestimmt sind und die Interessen beider Seiten angemessen berücksichtigen.

Beratung im Vertragsrecht

Sie sind unsicher, ob Ihr Vertrag aufgrund höherer Gewalt storniert werden kann? Sie möchten von Ihrem Vertrag zurücktreten, jedoch Vertragsstrafen vermeiden? Sie möchten eine Force-Majeure-Klausel in Ihre bestehenden oder zukünftigen Verträge aufnehmen? Unser Team berät zu allen Fragen des Vertragsrechts. Sprechen Sie uns gern an!

Weiterlesen:
Coronavirus: Rücktritt, Stornierung und Auflösung von Verträgen

Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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