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Vereinsaustritt ist Entscheidung des Mitglieds, nicht des Vorstands!

Anders als Vereine sind Genossenschaften auf eine wirtschaftliche Beziehung zwischen Genossenschaft und Mitglied angelegt. Erfüllt ein Mitglied gewisse Umsatzgrenzen nicht, mag sich die Mitgliedschaft aus Sicht der Genossenschaft nicht mehr lohnen. Um das Mitglied loszuwerden, bedarf es jedoch entweder einer eigenen Austrittserklärung oder satzungsmäßig geregelter Verfahren. Einer besonders trickreichen Genossenschaft musste der Bundesgerichtshof (BGH) daher nun einen Strich durch die Rechnung machen. Die Entscheidung gilt auch für Vereine und Verbände.

Genossenschaft zur Förderung des Erwerbs der Mitglieder

Zum Beitritt zu einer Genossenschaft ist es erforderlich, sogenannte Pflichtanteile zu zeichnen. Ähnlich wie Aktien oder GmbH-Anteile vermitteln diese Pflichtanteile das Mitgliedschaftsrecht. In dem vor dem BGH entschiedenen Fall hatte ein Apotheker solche Anteile gezeichnet, um Mitglied in einer Einkaufsgenossenschaft zu werden. Zweck einer solchen Genossenschaft ist es, durch große Abnahmemengen Rabatte bei Großhändlern und Produzenten zu erzielen und Waren anschließend vergünstigt an die Mitglieder weiterverkaufen zu können. Neben den Pflichtteilen hatte der Kläger über mehrere Jahre hinweg noch weitere freiwillige Anteile erworben, durch die er mehr Stimmrechte erhalten konnte.

Mitglied unterzeichnete Kündigungsblankett und Umsatzvereinbarung

Nach seinem letzten Erwerb freiwilliger Anteile wurde dem Mitglied ein Formular vorgelegt, auf dem er per Kreuz die Wahl zwischen der Kündigung seiner gesamten Mitgliedschaft und der Kündigung einzelner (freiwilliger) Anteile treffen konnte. Er wählte die Kündigung einzelner Anteile und unterschrieb das Formular; Felder zur Anzahl der gekündigten Anteile sowie zum Kündigungstermin blieben offen. Das so unterzeichnete Blankett übergab er anschließend der Genossenschaft bzw. deren Vorstand. Im Jahr 2011 wurde zusätzlich eine Vereinbarung über die Höhe des monatlich zu tätigenden Umsatzes getroffen, bei deren Unterschreiten die freiwilligen Anteile als gekündigt gelten sollten.

Beendigung der Geschäftsbeziehung durch die Genossenschaft

Mangels ausreichender Umsätze beendete die Genossenschaft im Jahr 2012 die geschäftliche Beziehung mit dem Mitglied. Das Kündigungsblankett hatte der Vorstand dahingehend geändert, dass das Kreuz bei der Kündigung der gesamten Mitgliedschaft gesetzt und ein Kündigungstermin eingesetzt wurde. Anschließend bestätigte die Genossenschaft dem Mitglied die Kündigung.

Kündigung „vorab“ durch Blankettunterzeichnung?

Der BGH fand an dem Vorgehen der Genossenschaft keinen Gefallen. Durch Ankreuzen des Absatzes zur Kündigung einzelner freiwilliger Anteile habe sich das Mitglied gleichzeitig gegen eine ebenfalls auf dem Formular mögliche Kündigung der Mitgliedschaft insgesamt entschieden. Die Änderung des Formulars durch den Vorstand dahingehend, dass dieser das Kreuz bei der Gesamtkündigung setzte, sei nicht wirksam. Weder war der Vorstand durch die Satzung zu einer solchen Handlung ermächtigt noch hatte das Mitglied den Vorstand zu entsprechenden Erklärungen bevollmächtigt.

Durch das eigenmächtige Vervollständigen des Blanketts habe das Mitglied vielmehr aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden sollen. Ein solcher Ausschluss sei jedoch grundsätzlich nur in satzungsmäßig geregelten Fällen möglich. Vorliegend war ein solcher Fall nicht geregelt.

Automatische Kündigung bei Unterschreiten einer Umsatzgrenze?

Hinsichtlich der freiwilligen Anteile, die durch das Unterschreiten der vereinbarten Umsatzziele als gekündigt gelten sollten, stellte der BGH klar, dass Beendigungsgründe zwingend in der Satzung zu regeln seien. Zwar sei grundsätzlich auch ein bedingter Aufhebungsvertrag denkbar, doch müsste dieser in der Satzung zugelassen sein. Immerhin gilt es bei diesen wichtigen Mitgliedschaftsfragen Transparenz herzustellen, damit alle Mitglieder wissen, in welchen konkreten Fällen ihre Mitgliedschaft (teilweise) enden kann.

Entscheidung auch auf Vereine übertragbar

Die Entscheidung betrifft die Rechtsform der Genossenschaft, die von ihrem Konzept her eine wirtschaftliche Förderung ihrer Mitglieder bezweckt. Während dies einen grundlegenden Unterschied zu nicht-wirtschaftlichen Vereinen darstellt, basiert die Rechtsform dennoch (wie alle Körperschaften) auf dem Vereinsrecht. Die Überlegungen hinsichtlich der Anforderungen an die Beendigung der Mitgliedschaft bzw. den Ausschluss eines Mitglieds können daher im Grundsatz auf den Verein übertragen werden.

Konkret bedeutet dies, dass auch Vereine grundsätzlich keine bedingten Austrittsverträge mit ihren Mitgliedern schließen oder sich von diesen Kündigungsblankette einholen können, von denen später der Vorstand nach eigenem Ermessen Gebrauch machen kann. Sollten diese Möglichkeiten erwünscht sein, bedarf es hierfür zunächst einer hinreichend bestimmten Regelung in der Satzung.

BGH, Urteil vom 15.05.2018, Az. II ZR 2/16

Weiterlesen:
Austritt aus einem Verein bei wichtigem Grund jederzeit möglich
Satzungen rechtssicher gestalten und Fallstricke vermeiden

Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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