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Umsatzsteuerfreiheit für private Krankenhäuser?

Erneut steht die Umsatzbesteuerung sozialer Dienstleistungen im Blickpunkt des europäischen Rechts. In einem aktuellen Beschluss äußert das FG Münster erhebliche Zweifel an der Europarechtskonformität des § 4 Nr. 14 b UStG, der die Umsatzsteuerfreiheit ausschließlich öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern sowie privaten Krankenhäusern mit sozialrechtlicher Zulassung vorbehält.

Die europäische Mehrwertsteuersystemrichtline fordert die Umsatzsteuerfreiheit von Krankenhausbehandlungen, welche von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder auch von anderen Einrichtungen, aber unter sozial gleichen Bedingungen erbracht werden. Dreh- und Angelpunkt für private Krankenhäuser ist damit aus Sicht des Europarechts die Erbringung unter sozial vergleichbaren Bedingungen. Zur Umsetzung dessen verlangt der deutsche Gesetzgeber seit 2009 eine sozialrechtliche Zulassung nach § 108 SGB V. Die Umsatzsteuerfreiheit ist danach Krankenhäusern vorbehalten, die entweder in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind oder einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen abgeschlossen haben. Bis 2009 knüpfte man die Umsatzsteuerfreiheit hingegen daran, dass zumindest 40 % der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfielen, deren Kosten durch die Krankenkassen übernommen werden konnten. Es spricht einiges dafür, dass diese ehemalige Regelung eher europarechtskonform war als die nun gültige Vorschrift.

Das FG Münster jedenfalls hatte erhebliche Bedenken, dass die sozialrechtliche Zulassung als derzeitige Vorbedingung für die Umsatzsteuerfreiheit dem Grundsatz steuerlicher Neutralität entspricht. Privatkliniken ohne entsprechende Vereinbarung würde die Umsatzsteuerfreiheit versagt, auch wenn diese identische Leistungen an gesetzlich Versicherte erbringen und damit eigentlich unter sozial vergleichbaren Bedingungen tätig werden. Diese Argumentation des Gerichts geht in die richtige Richtung. In verschiedenen Entscheidungen hat der EuGH der Tatsache, dass Kosten durch gesetzliche Sozialträger übernommen werden, entscheidende Bedeutung für den sozialen Charakter einer Leistung, und damit deren europarechtlich gebotener Umsatzsteuerfreiheit, beigemessen.

Hinweis: Die Entscheidung erging im einstweiligen Rechtsschutz und ist daher nur vorläufig. Daneben wurde die Beschwerde beim BFH zugelassen. Teilt dieser die Auffassung, wird er an den EUGH vorlegen. Erst vor kurzem hatte der BFH Bedenken an der umsatzsteuerlichen Privilegierung der Wohlfahrtsverbände geäußert und darin gleichfalls eine Ungleichbehandlung erblickt. Angesichts der fast monatlich durch Gerichte geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit umsatzsteuerlicher Befreiungsvorschriften im Bereich sozialer Dienstleistungen sollten alle Anbieter ein Offenhalten ihrer Steuerveranlagungen ernsthaft prüfen. Wer derzeit die europarechtlichen Entwicklungen kennt, kann erhebliche finanzielle Potentiale schöpfen. Im Fall des FG Münster hing an der rechtlichen Wertung eine Steuerschuld von etwa 330.000 EUR.

FG Münster, Beschluss v. 18.04.2011, Az. 15 V 111 / 11 U.

 

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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