Eine Stiftung, die einen Kindergarten betreibt, hat nach Auffassung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (VGH Bayern) keinen Anspruch auf Übernahme des Betriebskostendefizites durch die Gemeinde.
Stiftung beantragt Übernahme der Kosten ihres Kindergartens
Eine Stiftung der katholischen Kirche betrieb seit 1929 einen Kindergarten in der Stadt Weißenburg. Da die öffentlichen Fördergelder und die von den Eltern aufgebrachten Beiträge nicht kostendeckend waren, hatte die Diözese in der Vergangenheit freiwillige Zuschüsse zu den Personalkosten geleistet. Nachdem diese Zuschüsse ab dem Jahr 2010 eingestellt worden waren, beantragte die Stiftung bei der Stadt die Übernahme des Defizits für das Jahr 2010. Es folgte eine böse Überraschung: Anders als eine Reihe anderer Gemeinden im Freistaat, war die Kommune nicht bereit, einen Defizitvertrag mit der Stiftung abzuschließen; auch die Übernahme des Defizits für das Jahr 2010 lehnte sie ab.
Klage bleibt erfolglos
Die Stiftung versuchte daraufhin, auf dem Klageweg zum Erfolg zu kommen. Das misslang gründlich. Weder das Verwaltungsgericht (VG) Ansbach noch der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Bayern erkannten einen Grund, warum die Stadt zur Übernahme des Defizits verpflichtet sein sollte. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ließen sie nicht zu. Auch die von der Stiftung daraufhin erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wies das BVerwG zurück.
Stiftung sieht sich in ihren Grundrechten verletzt
Nach dem erfolglosen Gang durch die Instanzen sah sich die Stiftung schließlich gezwungen, Verfassungsbeschwerde vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof (VGH Bayern) zu erheben. Sie sah sich, so trug sie vor, durch die ablehnenden Gerichtsurteile in ihren Grundrechten der Verfassung des Freistaates Bayern (BV) verletzt. Sie sei nämlich dauerhaft gezwungen, ihre Einrichtung trotz Eigenleistungen in zumutbarer Höhe mit einem Defizit zu betreiben und sich dabei dauerhaft zu verschulden oder aber die Einrichtung zu schließen, während die Stadt Weißenburg das Defizit ihrer eigenen Kindergärten, die einen identischen Finanzierungsbedarf aufwiesen und mit der gesetzlichen Förderung und den Benutzungsgebühren ebenfalls nicht kostendeckend zu betreiben seien, mit allgemeinen Haushaltsmitteln ausgleiche.
Dies stelle einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz dar. Nicht nur das: Die geltenden Förderregeln schränkten darüber hinaus auch das Erziehungsrecht nach Art. 126 Abs. 1 BV, das in Art. 127 BV geregelte Recht der Religionsgemeinschaften auf einen angemessenen Einfluss bei der Erziehung der Kinder sowie die Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) unzulässig ein. Auch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) sei verletzt, weil die Finanzierungsregelungen nicht widerspruchsfrei seien.
Verfassungsbeschwerde unzulässig
All den vorgebrachten Argumenten konnte der VGH Bayern letztlich aber nichts abgewinnen. Er hielt die Verfassungsbeschwerde überwiegend schon für unzulässig, zum Teil, weil die verfassungsrechtlichen Grundsätze keine individuell einklagbaren Rechte verbürgen, auf die sich die Stiftung berufen könne, zum anderen Teil, weil die Stiftung die angeblichen Grundrechtsverletzungen nicht ausreichend dargelegt habe. Sie habe z.B. nicht (ausreichend) vorgetragen, dass sie den Kindergarten geschlossen habe oder ein Schließen unmittelbar bevorstehe und es sei auch nicht ersichtlich, warum das verfassungsrechtlich garantierte Recht der Religionsgemeinschaften auf einen angemessenen Einfluss bei der Erziehung der Kinder einen Anspruch auf eine vollständige Finanzierung der Betriebskosten von Kindertageseinrichtungen begründen solle.
Kein Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz
Aber auch in Bezug auf die mögliche Ungleichbehandlung mit stadteigenen Kindertageseinrichtungen musste sich die Stiftung geschlagen geben. Insoweit hielt der VGH Bayern die Verfassungsbeschwerde zwar für zulässig, aber in der Sache für unbegründet. Er vermochte keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu erkennen. Die tatsächlichen Verhältnisse seien nämlich nicht vergleichbar: Abgesehen davon, dass die Übernahme des Defizits bei städtischen Kindertageseinrichtungen bereits begrifflich keine Leistung an einen Dritten darstelle, liege in der Übernahme des Defizits von eigenen Einrichtungen keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung gegenüber anderen Trägern von Kindertageseinrichtungen. Tatsächlich seien kommunale Träger sogar stärker belastet als freigemeinnützige und sonstige Träger.
Verglichen mit freigemeinnützigen und sonstigen Trägern, deren Betriebskosten in Höhe des staatlichen Zuschusses und des grundsätzlich in gleicher Höhe zu leistenden gemeindlichen Zuschusses reduziert werden, würden Gemeinden, die eigene Kindertageseinrichtungen betreiben, bei Kindern aus ihrer Gemeinde nur durch die staatliche Betriebskostenförderung und die von den Eltern gezahlten Benutzungsgebühren, nicht aber durch weitere Leistungen Dritter entlastet. Sie stünden damit deutlich schlechter als die freigemeinnützigen und sonstigen Träger, die abgesehen von der Übernahme des Restdefizits keine eigenen Mittel zum Betrieb ihrer Kindertageseinrichtungen einsetzen müssen. Der Landesgesetzgeber habe damit der unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungskraft von kommunalen Trägern einerseits und freigemeinnützigen und sonstigen Trägern andererseits in einer Weise Rechnung getragen, die einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz ausschließe.
In allen Instanzen verloren
Die kirchliche Stiftung verlor damit in allen Instanzen und selbst vor dem Verfassungsgericht. Die Lehre daraus: Der Betrieb von Kitas ist kein Freifahrtschein für glückloses Wirtschaften. Auf einen Ausgleich von Defiziten durch die Gemeinden über die gewöhnlichen gemeindlichen und staatlichen Zuschüsse hinaus darf ein Kita-Betreiber jedenfalls nicht blind vertrauen.
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VGH Bayern, Urteil vom 01.02.2016, Az. Vf. 75-VI-14
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