Der BFH hatte dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die die Übungsleiterpauschale gemäß § 3 Nr. 26 EStG betreffen (siehe schon Recht aktuell 8/2006). Der Generalanwalt appellierte nun am 10.10.2007 in seinen Schlussanträgen vor dem EuGH dafür, die Übungsleiterpauschale nicht nur auf Tätigkeiten für Einrichtungen im Inland zu beschränken.
Der in Deutschland wohnhafte Kläger nahm an der Universität Straßburg, Frankreich, einen Lehrauftrag wahr und erhielt hierfür eine Vergütung. In seiner Steuererklärung in Deutschland wollte er auf die Vergütung die Übungsleiterpauschale gemäß § 3 Nr. 26 EStG angewendet wissen, die ihm seine Einnahmen bis zu einem Betrag von 1848 Euro (ab 2007: 2100 Euro) steuerfrei belassen hätte. Weder das Finanzamt noch das Finanzgericht gaben ihm Recht. Mit seiner Revision rügte der Kläger vor allem die Verletzung des Gemeinschaftsrechts. Der BFH legte daraufhin dem EuGH den Fall zur Vorabentscheidung vor.
In seinen Schlussanträgen macht der Generalanwalt seine Rechtsauffassung wie folgt deutlich:
1. Hätte der Kläger seine Leistungen gegenüber einer Universität in Deutschland erbracht, wäre er in den Genuss der Übungsleiterpauschale gekommen. Dass ihm die Steuervergünstigung vorenthalten bleibe, wenn er für eine ausländische, innereuropäische Einrichtung tätig werde, verstoße gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. EG-Vertrag). Diese sei auch dann berührt, wenn der Steuerpflichtige mit seiner Tätigkeit keine Gewinne erziele, sondern z.B. lediglich Aufwandsentschädigungen erhalte.
2. Der Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit sei auch nicht damit zu rechtfertigen, dass Deutschland ein Interesse daran habe, seine eigenen Universitäten zu fördern und nicht diejenigen der übrigen Mitgliedsstaaten. Es könne nicht sein, dass ein Steuerpflichtiger dadurch Nachteile erleide, dass er sich auf die vertraglich garantierten Freiheiten berufe. Die im EG-Vertrag begründeten Rechte könnten ihre volle Wirkung ansonsten nicht entfalten. Die Regelung des § 3 Nr. 26 EStG verfälsche die Entscheidung der Steuerpflichtigen, wo in der Europäischen Gemeinschaft sie ihre Leistungen erbringen. Bei einem Projekt wie der Europäischen Union sei es „unvermeidlich, dass ein Teil der Ressourcen der Mitgliedsstaaten auch Einzelnen oder Einrichtungen anderer Mitgliedsstaaten zugutekomm[e]“.
Hinweis: Man darf gespannt sein, ob der EuGH – wie häufig – den Schlussanträgen des Generalanwaltes folgt. Tut er dies, ist endgültig klar, dass sich das nationale Gemeinnützigkeitsrecht dem Europarecht nicht länger verschließen kann.
In der jüngeren Vergangenheit hatten wir in unserem Newsletter immer wieder über wegweisende Entwicklungen berichtet, die allesamt in die gleiche europafreundliche Richtung zielten:
– So hatten der EuGH und ihm folgend der BFH entschieden, dass auch ausländische gemeinnützige Einrichtungen in Deutschland die Steuerfreiheit als gemeinnützige Organisationen genießen dürfen (Stauffer-Urteil).
– Die Kommission hatte vom nationalen Gesetzgeber (bislang allerdings noch nicht von Deutschland) verlangt, grenzüberschreitende Spenden zum Abzug zuzulassen.
– Der BFH legte einen Fall, in dem es ebenfalls um grenzüberschreitende Spenden ging, dem EuGH zur Klärung vor.
– Und schließlich leitete die Kommission kürzlich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der Diskriminierung ausländischer Stiftungen (§ 15 Außensteuergesetz) ein.
EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts M. Poiares Maduro v. 10.10.2007, Az. C-281/06