DE | EN | RU

info@winheller.com+49 (0)69 76 75 77 80 Mo. - Fr. von 8 bis 20 Uhr, Sa. von 8 bis 17 Uhr
Persönliche Termine nach Vereinbarung

Wann sind Stiftungsvorstände sozialversicherungspflichtig?

Wann sind Stiftungsvorstände sozialversicherungspflichtig?

Viele Stiftungen und Stiftungsvorstände übersehen, dass die entgeltliche Tätigkeit eines Stiftungsvorstands sozialversicherungspflichtig sein kann und setzen sich somit einem enormen Haftungsrisiko aus. Möglicherweise drohen auch strafrechtliche Folgen. Wenn nicht bereits Sozialversicherungsbeiträge für Stiftungsvorstände gezahlt werden, sollten Stiftungen genau überprüfen, ob tatsächlich eine sozialversicherungsfreie Tätigkeit vorliegt. Denn die Rechtsprechung und Verwaltung tendieren derzeit immer mehr dazu, Vergütungen von Vorständen als sozialversicherungspflichtig zu betrachten – wie eine aktuelle Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) verdeutlicht.

Streit um den Status eines Stiftungsvorstands

Der Fall vor dem BSG betraf den Vorstand einer gemeinnützigen Stiftung, deren Zwecke die Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie von sozialen Projekten ist. Nach der Satzung der Stiftung besteht der Vorstand aus drei Personen, wobei für die Beschlussfassung die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen notwendig ist. Ferner ist jedes Vorstandsmitglied nur gemeinschaftlich mit einem anderen Vorstandsmitglied zur Vertretung der Stiftung befugt. Die jährliche, pauschale Vergütung des betroffenen Vorstandes betrug zunächst 20.000 Euro und steigerte sich im Laufe der Jahre auf 60.000 Euro. Im Rahmen eines von der Stiftung für den Vorstand beantragten Statusfeststellungsverfahrens (ein Verfahren in dem beurteilt wird, ob es sich um ein selbstständiges oder abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Beteiligten handelt) beurteilte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) seine Tätigkeit als abhängiges Beschäftigungsverhältnis und somit als versicherungspflichtig in der Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung. Die Folge: Eine hohe Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen inkl. Säumniszuschlägen.

BSG: Vorstände sind sozialversicherungspflichtig

Nach einem erfolglosen Widerspruch und abgewiesener Klagen vor dem Sozialgericht Köln und dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen legte die Stiftung Revision beim BSG ein. Allerdings ohne Erfolg: Das Gericht bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und entschied, dass der Vorstand bei der Stiftung beschäftigt sei und für ihn somit eine Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung bestehe. 

Möchten Sie Neuigkeiten wie diese monatlich in Ihr Postfach erhalten? Abonnieren Sie hier unseren Newsletter Nonprofitrecht aktuell.

Zunächst stellte das Gericht klar, dass Voraussetzung für die Sozialversicherungspflicht das Bestehen eines sozialrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses sei. Nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) ist eine Beschäftigung eine nichtselbstständige Tätigkeit, insbesondere – aber nicht ausschließlich – in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation. Beide Kriterien stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen.In diesem Fall sei der Vorstand – so das Gericht – insbesondere in funktionsgerecht dienender Teilhabe in den Stiftungsbetrieb eingegliedert. Denn er unterliege nicht nur dem Willen des Stifters, sondern auch dem Willen der anderen Stiftungsvorstände. Ferner trage er kein unternehmerisches Risiko, da er eine pauschale und erfolgsunabhängige Vergütung erhalte. Merkmale einer selbstständigen und somit sozialversicherungsfreien Tätigkeit lagen dagegen nicht vor.

Vorstand unterliegt dem Stifterwillen…

Für eine Eingliederung des Vorstands in den Betrieb der Stiftung spreche zunächst, dass sich die Tätigkeit des Vorstandes am Stifterwillen orientieren müsse. Denn dieser habe absoluten Vorrang und diene somit als Richtschnur für das Handeln des Stiftungsvorstands. Der Vorstand nehme damit von vornherein lediglich eine treuhänderische Funktion wahr, die er bei seiner Aufgabenwahrnehmung zu beachten habe.

…und dem Willen der anderen Stiftungsvorstände.  

Außerdem spreche für die Eingliederung des Vorstands in den Stiftungsbetrieb, dass er allein keinen wesentlichen Einfluss auf die Tätigkeiten der Stiftung ausüben konnte. Denn er konnte jederzeit durch die anderen beiden Vorstandsmitglieder überstimmt werden. Somit liegt jedoch kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit vor, da er nicht jeden für ihn missliebigen Beschluss des Vorstands blockieren könne.

Kein Vergütungsrisiko

Zudem spreche für eine abhängige Beschäftigung, dass der Vorstand eine pauschale und erfolgsunabhängige Vergütung erhielt und somit kein wirtschaftliches Vergütungsrisiko bzw. Unternehmerrisiko trug. Ein Unternehmerrisiko sei jedoch einer der wesentlichen Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit, so das Gericht.

Keine eigene Vermögensbeteiligung

Für die Argumentation des Gerichts spricht auch ein Argument aus anderen Konstellationen. So wird zum Beispiel ein Abhängigkeitsverhältnis eines Mehrheitsgesellschafters einer GmbH abgelehnt, da dieser mit eigenem Vermögen an dem Unternehmen beteiligt ist. Anders liegt es beim Stiftungsvorstand. Dieser bringt gerade kein eigenes Vermögen in die Stiftung ein.

Hohen Nachzahlungen und Haftungsrisiken vermeiden

Dieser Fall zeigt erneut, wie komplex das Sozialversicherungsrecht ist und dass sich die Frage, wann die Tätigkeit eines Stiftungsvorstand sozialversicherungspflichtig ist, nicht pauschal beantworten lässt und von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls abhängt. 

Um sich vor hohen Nachzahlungen und weiteren Haftungsrisiken zu schützen, sollten sich Stiftungen und ihre Vorstände an einen Experten für Sozialversicherungsrecht wenden. Der Anspruch des Staates auf Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge verjährt übrigens erst nach 30 Jahren. Dieser kann überprüfen, ob die sozialversicherungsrechtliche Behandlung des Vorstandes rechtskonform erfolgt und bei Fehlern geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen, bevor die nächste Betriebsprüfung ansteht. Ebenfalls kann er bei der Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens beraten und vertreten, um Haftungsrisiken präventiv zu vermeiden. Es schafft Rechtssicherheit. Das Durchführen eines Statusfeststellungsverfahrens empfiehlt sich auch deshalb, weil die Rechtsprechung überwiegend annimmt, Vorsatz würde vorliegen, wenn man ein Statusfeststellungsverfahren nicht durchgeführt hat.

BSG, Urteil vom 23.2.2021 – B 12 R 15/19 R

Weiterlesen:
Erfahrene Anwälte für Stiftungsrecht beraten Stiftungen und Stifter
Häufige Fehler in der Stiftungssatzung: Vertretungsmacht von Vorständen

Ellen Pusch

Rechtsanwältin Ellen Pusch hat sich am Standort München auf das Arbeitsrecht und als zertifizierter Testamentsvollstrecker (DVEV) auf das Erbrecht spezialisiert. Sie gestaltet und optimiert Arbeits-, Aufhebungs- und Abwicklungsverträge und begleitet Umstrukturierungsvorhaben und M&A-Transaktionen (Betriebsübergänge).

>> Zum Profil

Ihre Karriere bei WINHELLER

Nächster Karriereschritt geplant? Unsere mittelständische Kanzlei bietet ein vielfältiges Aufgaben- und Beratungsspektrum an vier deutschen Standorten. Wir freuen uns auf engagierte neue Kollegen!

>> Zu unseren aktuellen Stellenangeboten

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

WINHELLER-Blog via Newsletter

Abonnieren Sie unsere kostenlosen Newsletter und erhalten Sie regelmäßig die wichtigsten Beiträge aus dem Wirtschafts- und/oder Gemeinnützigkeitsrecht bequem per E-Mail. Wählen Sie einfach Ihren Wunschnewsletter aus. (Pflichtfelder sind mit * markiert).

German Business Law News (4x jährlich)
Nonprofitrecht aktuell (1x im Monat)
Ich möchte den oder die ausgewählten Newsletter abonnieren und erteile zu diesem Zwecke meine Einwilligung in die Verarbeitung meiner oben angegebenen Daten durch WINHELLER. Die „Hinweise zur Datenverarbeitung im Rahmen des Newsletter-Abonnements“ habe ich gelesen.
Mir ist bekannt, dass ich meine erteilte Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft durch Betätigung des Abmeldebuttons innerhalb des Newsletters widerrufen kann. *