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Steuerliche Mustersatzung: Keine wörtliche Übernahme notwendig

Die Abgabenordnung (AO) sieht eine Mustersatzung vor, deren Festlegungen eine gemeinnützige Körperschaft in ihre Satzung übernehmen muss, um vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt zu werden. Die Finanzverwaltung forderte bislang grundsätzlich eine wortwörtliche Übernahme des Musters. Das Hessische Finanzgericht (FG) sieht es anders.

Mustersatzung in Abgabenordnung enthalten

Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2009 müssen die Festlegungen der Mustersatzung, die in Anlage 1 der Abgabenordnung (AO) beigefügt ist, in den Satzungen gemeinnütziger Organisationen enthalten sein. Es handelt sich hierbei nicht um ein Muster im Sinne einer Vorlage einer kompletten Satzung, sondern lediglich um solche Bestimmungen, die für die Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft notwendig sind. Nach den Vorgaben der AO müssen gemeinnützige Körperschaften nämlich sowohl in ihrer tatsächlichen Geschäftsführung als auch in ihrer Satzung klar erkennen lassen, dass sie sich voll und ganz der Verfolgung ihrer begünstigten Zwecke widmen.

Warnfunktion durch gewisse Bestimmungen

So muss in der Satzung festgelegt sein, dass die Organisation ihre Zwecke ausschließlich und unmittelbar sowie selbstlos verfolgt. Die satzungsmäßige Niederschrift soll hierbei auch eine gewisse Erinnerungs- und Warnfunktion für Mitglieder und Vorstände erfüllen, indem die Satzung als „Verfassung“ von Verein, gGmbH bzw. Stiftung eine zeitlich unbeschränkte und grundlegende Rolle spielt.

Wortwörtliche Übernahme notwendig?

Die Finanzverwaltung vertritt gemäß Ziffer 2 zu § 60 AO des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) die Auffassung, die Mustersatzung sei wörtlich zu übernehmen. Die in ihr enthaltenen Formulierungen müssten sich unverändert in der eigenen Satzung wiederfinden. Mehrere Stimmen in der juristischen Wissenschaft und Praxis hingegen wollen es ausreichen lassen, wenn die Bestimmungen sinngemäß verwendet werden. Dem hat sich nun auch das FG Hessen angeschlossen. Denn die AO bestimme lediglich, dass die „Festlegungen“ der Mustersatzung zu übernehmen sind, nicht aber die wortwörtliche Formulierung.

Das soll dem Gericht zufolge selbst für die sog. Vermögensbindungsklausel gelten, die in Satzungen gemeinnütziger Körperschaften bestimmt, wohin das restliche Vermögen der Körperschaft im Fall ihrer Auflösung zu übertragen ist. Allerdings verlangt auch das FG Hessen, dass die Verpflichtung der Körperschaft zur ausschließlichen, unmittelbaren und selbstlosen Verfolgung der begünstigten Zwecke weiterhin in der Satzung enthalten sein muss.

Verfolgte Zwecke müssen eindeutig formuliert sein

Im Fall des vom FG Hessen betroffenen Vereins wurde die Anerkennung der Gemeinnützigkeit am Ende übrigens dennoch versagt. Zum einen handelte es sich (zumindest teilweise) auch um einen Berufsverband, der berufliche Interessen statt steuerbegünstigte Zwecke verfolgte. Daneben enthielt die Satzung keine Festlegung des verfolgten gemeinnützigen Zwecks. Die Satzung beschrieb zwar eine Reihe von Tätigkeiten, die jeweils für sich betrachtet durchaus einem steuerbegünstigten Zweck hätten dienen können, doch war ein solcher eben nicht explizit genannt. Der Verein hätte sich auf (mindestens) einen der in § 52 Abs. 2 AO aufgeführten „Katalogzwecke“ festlegen müssen.

Bislang verwenden wohl die meisten gemeinnützigen Organisationen den genauen Wortlaut der Mustersatzung, schon weil dadurch die Formulierung der gesetzlichen Vorgaben in der eigenen Satzung erheblich erleichtert wird. In Einzelfällen mag ein davon abweichender Aufbau oder Wortlaut gewünscht sein, was nun nach Ansicht des FG Hessen zulässig wäre, solange nur die wesentlichen Bestimmungen aus der Mustersatzung übernommen werden. Die genaue Festlegung des verfolgten Zwecks bleibt aber auch weiterhin essentiell.

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FG Hessen, Urteil v. 28.06.2017, Az. 4 K 917/16

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Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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