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BFH stärkt Kooperationen zwischen Privatkliniken und Plankrankenhäusern

BFH stärkt Kooperationen zwischen Privatkliniken und Plankrankenhäusern

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seinem Urteil vom 18.10.2023 eine wichtige Entscheidung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von ambulanten Heilbehandlungen getroffen, die die Zusammenarbeit zwischen Privatkliniken und Plankrankenhäusern stärkt.

Umsatzsteuerbefreiung für Heilbehandlungen auch bei Leistungserbringung im Plankrankenhaus durch eine Privatklinik

Der BFH stellte klar, dass die Steuerbefreiung für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG auch dann gilt, wenn ein Krankenhaus mittels seiner angestellten Ärzte Operationsleistungen in den Räumen eines anderen Krankenhauses erbringt. Bei derartigen Kooperationen stehen die ärztliche Heilbehandlung und nicht eine sonstige Leistung mit Schwerpunkt auf der Personalgestellung im Vordergrund.

Privatklinik erbringt Operationsleistungen und nutzt Infrastruktur des Plankrankenhauses

Im vorliegenden Fall erbrachte eine Privatklinik (konzessioniert nach § 30 GewO) auf Grundlage eines zwischen der Privatklinik und einem (gemeinnützigen) Plankrankenhaus abgeschlossenen Kooperationsvertrags Operationsleistungen in den Räumlichkeiten eines Plankrankenhauses. Zweck des Kooperationsvertrags war es, für gesetzlich versicherte Patienten, die von ihren Krankenkassen keine Einzelfallzusage für eine Behandlung in der Privatklinik der Klägerin erhalten haben, eine Möglichkeit zu schaffen, von den Ärzten der Klägerin operiert zu werden.

Die betreffenden Patienten wurden durch das Plankrankenhaus, das die Infrastruktur für die Erbringung der Eingriffe stellte, stationär aufgenommen. Das Plankrankenhaus rechnete die gesamte allgemeine Krankenhausbehandlung (Eingriff samt hierfür benötigte Implantate, Behandlung, Unterkunft) jeweils direkt mit den gesetzlichen Krankenversicherungen ab. Das Plankrankenhaus verpflichtete sich im Rahmen des Kooperationsvertrags, mit den bei der Privatklinik angestellten Ärzt/-innen Konsiliar-/bzw. Honorararztverträge abzuschließen, aus denen sich die Rechte und Pflichten im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit, insbesondere zur operativen Versorgung der durch die Privatklinik in das Plankrankenhaus eingewiesenen Patienten ergeben.

Die Privatklinik erhielt von dem Plankrankenhaus jeweils eine Vergütung i.H.v. 25% der Fallpauschale. Das Finanzamt hatte diese Leistungen zunächst als umsatzsteuerpflichtig eingestuft. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies sie zur anderweitigen Entscheidung und Verhandlung an das FG zurück.

Auch Privatklinik kann umsatzsteuerbefreite Operationsleistungen erbringen

Der BFH begründete seine Entscheidung wie folgt:

  • Schwerpunkt der Leistung der Privatklinik war die operative Tätigkeit, nicht die Gestellung von Personal an das Plankrankenhaus; insofern handelt es sich um eine Heilbehandlungsleistung und nicht um eine sonstige Leistung mit Schwerpunkt Personalgestellung, die der Umsatzsteuer unterliegen würde.
  • Unionsrechtskonforme Auslegung: Die Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG ist im Lichte des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) auszulegen. Die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b bzw. c MwStSystRL verwendeten Begriffe „ärztliche Heilbehandlungen“ bzw. „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ erfassen Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen. Die von der Privatklinik erbrachten Operationen waren medizinisch indiziert, sodass es sich dabei um steuerfreie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin handelte.
  • Ort der Leistungserbringung unerheblich: Der Steuerbefreiung steht nicht entgegen, dass die Heilbehandlungsleistungen in den Räumen eines anderen Krankenhauses ausgeführt wurden. Unschädlich für die Steuerbefreiung ist auch, dass das Leistungsaustauschverhältnis, das den Operationsleistungen zugrunde lag, nicht zwischen der Privatklinik und dem einzelnen Patienten, sondern zwischen der Privatklinik und dem Plankrankenhaus bestand und die Heilbehandlung durch die Privatklinik in Subunternehmerstellung an das Plankrankenhaus erbracht wurde.
  • Kein Vertrauensverhältnis erforderlich: Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG hängt nicht davon ab, dass die Heilbehandlung im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Behandler erbracht wird.
  • Heilbehandlung durch juristische Person: Auch eine juristische Person kann nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG steuerbefreite Leistungen erbringen, wenn sie hierfür beruflich qualifiziertes Personal einsetzt. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet es insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden.

Auswirkungen auf die Zusammenarbeit von Krankenhäusern

Diese Entscheidung stärkt die Zusammenarbeit zwischen Privatkliniken und Plankrankenhäusern bzw. zwischen Krankenhäusern untereinander in mehrfacher Hinsicht:

  • Flexibilität bei der Leistungserbringung: Krankenhäuser können nun ohne umsatzsteuerliche Nachteile ihre Expertise und Ressourcen in den Räumlichkeiten anderer Einrichtungen einsetzen.
  • Kosteneffizienz: Durch die Steuerbefreiung werden Kooperationen wirtschaftlich attraktiver, da keine zusätzliche Umsatzsteuerbelastung entsteht.
  • Förderung von Spezialisierung: Spezialisierte Privatkliniken können ihre Leistungen in Plankrankenhäusern anbieten, ohne steuerliche Nachteile befürchten zu müssen.
  • Verbesserung der Patientenversorgung: Die erleichterte Zusammenarbeit ermöglicht eine optimierte Nutzung von medizinischen Ressourcen und medizinischer Expertise zum Wohl der Patienten.

Urteil fördert effiziente und patientenorientierte Gesundheitsversorgung und Kooperation zwischen Krankenhäusern

Welche Heilbehandlungen von der Umsatzsteuer befreit sind und welche nicht, ist immer wieder Streitthema. Das Urteil des BFH schafft Rechtssicherheit für Kooperationen zwischen Krankenhäusern, auch soweit eine Privatklinik (medizinisch indizierte) Heilbehandlungsleistungen in einem Plankrankenhaus erbringt, und fördert damit eine effiziente und patientenorientierte Gesundheitsversorgung. Es beseitigt steuerliche Hürden und ermöglicht eine flexiblere Gestaltung der medizinischen Versorgungslandschaft.

Sie benötigen Unterstützung bei der Gestaltung oder Durchführung von (ärztlichen) Kooperationen oder bei der steuerlichen Würdigung der Leistungen, die Sie erbringen? Unsere NPO-Anwälte beraten Sie zu allen Themen rund um Kooperationen und Steuerbefreiungen.

BFH, Urteil v. 18.10.2023, XI R 18/20

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Eva Helfenstein

Rechtsanwältin Eva Helfenstein berät am Frankfurter Standort Stiftungen und andere Nonprofit-Organisationen in allen Angelegenheiten des Gemeinnützigkeits- und Stiftungsrechts.

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