Das sog. Side-by-Side-Coaching ist begrifflich bislang kaum bekannt. Der ein oder andere Leser dürfte beim Anruf eines Call-Centers jedoch bereits damit in Berührung gekommen sein. Beim Side-by-Side-Coaching hört ein Trainer Telefonate zwischen Kunden und Call-Center-Mitarbeitern im zuvor erklärten Einverständnis des Kunden mit. Auf diese Weise kann der Trainer der Coaching-Maßnahme im Anschluss an das Kundentelefonat dem Call-Center-Mitarbeiter individuelle und ganz konkrete, situationsbezogene Hinweise zur Verbesserung seiner Gesprächsführung geben.
Verbesserung der Gesprächsführung
Im vom Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschiedenen Fall ist die Arbeitgeberin ein Unternehmen, das telefonische und schriftliche Anfragen von Kunden entgegennimmt und diese bearbeitet bzw. beantwortet. Die Arbeitgeberin entschied sich zur Einführung einer Geschäftsstrategie, bei der die Call-Center-Mitarbeiter die Kunden im Rahmen von Kundentelefonaten aktiv darauf ansprechen sollten, ob sie damit einverstanden seien, Vertragsangebote über das Vertriebscenter zu erhalten. Die Einführung dieser Geschäftsstrategie ließ die Arbeitgeberin im Wege von Side-by-Side-Coaching durch einen Trainer begleiten.
Streitigkeit mit dem Betriebsrat
Im Zuge der Einführung des Side-by-Side-Coachings machte der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte geltend, insbesondere aus § 98 BetrVG wegen der aus seiner Sicht mitbestimmungspflichtigen Durchführung von betrieblichen Bildungsmaßnahmen. Nachdem der Betriebsrat die Verhandlungen mit der Arbeitgeberin als gescheitert angesehen hatte, beantragte er beim Arbeitsgericht Köln die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Thematik „Bildungsmaßnahme Leadgenerierung“. Das Arbeitsgericht Köln gab dem Antrag statt und setzte eine Einigungsstelle ein. Zur Begründung führte es an, es sei nicht auszuschließen, dass das Side-by-Side-Coaching eine mitbestimmungspflichtige betriebliche Bildungsmaßnahme darstelle.
Einigungsstelle offensichtlich unzuständig
Das LAG Köln gab der hiergegen von der Arbeitgeberin geführten Beschwerde statt. Zur Begründung führte das LAG aus, die Einigungsstelle sei für die Regelung des Side-by-Side-Coachings im Rahmen der neu eingeführten Geschäftsstrategie der Arbeitgeberin offensichtlich unzuständig (§ 100 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sei sofort erkennbar, dass das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht (§ 98 BetrVG) unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt. Das Side-by-Side-Coaching sei mitbestimmungsfrei, da es keine betriebliche Bildungsmaßnahme darstelle.
Keine mitbestimmungspflichtige betriebliche Bildungsmaßnahme
Während bei der betrieblichen Bildungsmaßnahme die systematische und lehrplanartige Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die den Mitarbeiter zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit überhaupt erst befähigen, im Vordergrund stehe, sei das Side-by-Side-Coaching durch eine individuelle und konkret anlass- sowie situationsbezogene Hilfestellung des Trainers gekennzeichnet, die als mitbestimmungsfreie Unterrichtung durch die Arbeitgeberin (§ 81 BetrVG) anzusehen sei. Die telefonische Beratung von Kunden gehöre ohnehin zum Tätigkeitsbild des Call-Center-Mitarbeiters, das Side-by-Side-Coaching versetze die Mitarbeiter daher nicht in die Lage, diese Tätigkeit überhaupt ausüben zu können.
Rechtliche Beratung zu Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats
Rund um Streitigkeiten wegen der Reichweite der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats stehen Ihnen unsere Spezialisten für Arbeitsrecht mit rechtlicher Beratung und gerichtlicher Vertretung gerne zur Seite.
LAG Köln, Beschluss vom 16.01.2017, 9 TaBV 77/16
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