Aldi, ein milliardenschwerer Konzern, befindet sich im Eigentum von drei Familienstiftungen. In einer davon entflammte vor Jahren Streit. Das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig-Holstein musste nun eine Kernfrage entscheiden: Waren die aktuelle Besetzung des Stiftungsvorstandes und die gefassten Beschlüsse wirksam oder unterlief im Jahr 2010 ein Fehler, der die Unwirksamkeit der Beschlüsse zur Folge hatte? Es geht um Macht und Geld, aber auch um Recht.
Drei Stiftungen als Aldi-Eigentümer
Unternehmer bedienen sich gerne Stiftungen, um für den Fall der Nachfolge die Versorgung der Familie und zugleich die Fortführung des Unternehmens sicherzustellen. Genauso geschah es im Fall von Aldi. Die Anteile an Aldi Nord halten drei Stiftungen mit den Namen Lukas, Jakobus und Markus. Die mächtigste Stiftung ist Markus, die 61% an Aldi Nord hält. Die zwei anderen Stiftungen halten jeweils 19,5% am Unternehmen. Während die Stiftung Lukas satzungsgemäß die Abkömmlinge von Theo jun., des Sohnes des Aldi-Nord-Gründers Theo Albrecht, fördern soll, besteht die Aufgabe der Jakobus-Stiftung darin, den Abkömmlingen seines Bruders Berthold zu dienen. Die Satzungen sehen jeweils vor, dass die Destinatäre zum Teil Vorstandspositionen in den jeweiligen Stiftungen bekleiden.
Beim Vorstandsbeschluss fehlte ein Vorstandsmitglied
Noch zu Lebzeiten von Berthold wurde die Regelung, wie genau sich der Vorstand der Jakobus-Stiftung zusammensetzt, geändert. Die neue Regelung sah vor, dass die Abkömmlinge von Berthold nicht mehr die Mehrheit im Vorstand haben sollten. Da ein Vorstandsmitglied erkrankt war, war der Vorstandsbeschluss über die Satzungsänderung allerdings nur von den anwesenden Vorstandsmitgliedern unterschrieben worden. Die Unterschrift für das erkrankte Vorstandsmitglied hatte Berthold lediglich mit dem Zusatz „Zugleich für den erkrankten (…)“ geleistet.
Satzungsänderung hätte zur Schwächung der Abkömmlinge geführt
Zunächst blieb die Zusammensetzung des Vorstandes unverändert. Nach dem Ableben von Berthold sollte aber die neue Regelung angewandt werden, die faktisch eine deutliche Schwächung der Abkömmlinge von Berthold zur Folge gehabt hätte. In der Folge entstand Streit über weitere Satzungsänderungen und die Kompetenz zur Abberufung von Vorstandsmitgliedern. Die Tatsache, dass der Verwaltungsrat der Unternehmensgruppe Aldi Nord ein Mitglied in den Vorstand der Stiftung wählte, goss (noch mehr) Öl ins Feuer. Die Erben von Berthold erkannten darin den Versuch von Theo jun., die Macht über die Jakobus-Stiftung zu erlangen. Im Kern ging es bei den Auseinandersetzungen um die Frage, ob die damalige Satzungsänderung trotz Abwesenheit des erkrankten Vorstandsmitgliedes wirksam geworden war.
Satzungsänderung unwirksam mangels korrekter Vertretung
Das VG Schleswig-Holstein verneinte das. Die beklagte Stiftungsbehörde hätte, so das Gericht, die Satzungsänderung aufgrund der fehlerhaften Vertretung des krankheitsbedingt abwesenden Vorstandsmitglieds nicht genehmigen dürfen, da die Vorstandstätigkeit vertretungsfeindlich sei. Das ergebe sich zum einen aus dem Gesetz. Gemäß § 664 S. 1 BGB i.V.m. § 27 Abs. 3 BGB dürfe der Vorstand die Ausführungen seines Auftrages im Zweifel nämlich nicht weiter übertragen. Zum anderen regele die Satzung nichts Abweichendes: So seien in der Stiftungssatzung die Befugnisse, Aufgaben und Zusammensetzung des Vorstandes detailliert geregelt. Eine Regelung zu Vertretungsbefugnissen sei aber nicht enthalten, woraus abzuleiten sei, dass eine Vertretungsbefugnis bewusst nicht ermöglicht werden sollte. Ferner fände sich in der Satzung eine Vertretungsbefugnis für ein anderes Organ der Stiftung, den Familientag. Wenn aber eine Vertretungsregelung für ein anderes Organ in der Satzung ihren Niederschlag gefunden hat, spreche dies ebenfalls für eine Vertretungsfeindlichkeit des Vorstandshandelns.
Folge der gescheiterten Satzungsänderung
Berthold hätte das erkrankte Vorstandsmitglied also nicht vertreten dürfen. Der Beschluss und damit die Satzungsänderung waren daher unwirksam. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. Gegen das Urteil hat die beklagte Stiftungsaufsichtsbehörde, die die Satzungsänderung für wirksam hält, Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig-Holstein eingelegt.
Stiftern ist dringend anzuraten, sich bereits zu Lebzeiten Gedanken über die richtige Ausgestaltung der Stiftungssatzung zu machen. Es kann nicht oft genug wiederholt werden: Die Ausarbeitung einer Stiftungssatzung sollte unbedingt von auf Stiftungsrecht spezialisierten Rechtsanwälten begleitet werden. Nur so lässt sich das Risiko böser und teurer Überraschungen und Rechtsstreitigkeiten reduzieren und – insbesondere bei Familienstiftungen – der Familienfrieden erhalten. Gerne sind Ihnen unsere erfahrenen Anwälte bei der Gestaltung Ihrer Stiftungssatzung behilflich.
VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.01.2016, Az. 6 A 12/15
Weiterlesen:
Stiftungssatzungen sorgfältig gestalten
Satzungsgestaltung: Haftungsrisiken minimieren
Tags: Familienstiftung, Satzung, Satzungsänderung, Stiftung, Stiftungssatzung, Stiftungsvorstand, Vorstand