Berufsverbände sollen üblicherweise die Interessen der in ihnen verbundenen Berufsträger vertreten. Doch ist es hierfür erforderlich, dass die Vorstandspositionen mit berufstätigen Mitgliedern besetzt sind oder sind auch Ruheständler geeignete Vorstandsmitglieder? Das Amtsgericht (AG) München musste nun über die Wirksamkeit einer Satzungsregelung entscheiden, die Pensionäre von Vorstandskandidaturen ausschloss.
Kontakt zur Basis soll gehalten werden
Der beklagte Verein, ein Berufsverband von Gymnasiallehrern, hatte bereits 2007 seine Wahlordnung geändert, sodass Mitglieder im Ruhestand von Verbandsfunktionen ausgeschlossen waren. Durch Mitgliederbeschluss im Jahr 2010 wurde die Regelung dergestalt in die Satzung eingefügt, dass nunmehr bereits Kandidaturen von Mitgliedern, die sich im Ruhestand befinden, ausgeschlossen sind. Der Verband versucht so zu verhindern, dass Personen den Verband führen, denen aufgrund ihres Ruhestands der direkte Kontakt zu aktiven Kolleginnen und Kollegen sowie die Erfahrung aktueller Situationen im Schulalltag fehlen.
Altersdiskriminierung durch Ausschluss von Pensionären?
Die beiden Kläger hatten bereits in der Vergangenheit Positionen als stellvertretender Vorsitzender bzw. Delegierter inne. Mittlerweile sind sie jedoch im Ruhestand und sehen sich daher bei erneuten Wahlen von einer Kandidatur ausgeschlossen. Durch ihre Klage wollten sie feststellen lassen, dass die Satzungsregelung gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstößt und daher nichtig ist. Immerhin sei der überwiegende Teil der Ruheständler über 65 Jahre alt, sodass mittelbar eine Diskriminierung aufgrund des Alters vorliege. Zudem verstoße die Regelung gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung im Vereinsrecht, da die Gruppe der Pensionäre in ihren Rechten beschnitten würde.
Sachliche Gründe können Diskriminierung rechtfertigen
Das Gericht folgte dieser Argumentation allerdings nicht. Ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot liege nicht vor, da auch die im Ruhestand befindlichen Mitglieder weiterhin ihre Rechte durch ihr aktives Wahlrecht ausüben und so auch über die Vorstandsbesetzung mitentscheiden könnten. Zudem gebe es in den verschiedenen Verbandsbezirken Seniorenbeauftragte, die für Pensionäre gesondert zur Verfügung stünden.
Ein Verstoß gegen das AGG liege darüber hinaus ebenfalls nicht vor. Zwar stelle die Regelung tatsächlich eine Diskriminierung von Mitgliedern im Ruhestand dar, doch sei diese durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Es sei für einen Berufsverband maßgeblich, als Vertreter der in ihm organisierten Berufsträger wahrgenommen zu werden. Bei der Besetzung von Vorstandspositionen mit lediglich ehemaligen Berufsträgern könne die Innen- und Außenwahrnehmung beeinträchtigt werden. Im Übrigen sei auch das direkte Miterleben des schulischen Tagesgeschehens entscheidend für die Ausübung der Vorstandsposition im Verbandsinteresse.
Vorsicht bei Beschneidung von Mitgliedschaftsrechten
Die Entscheidung zeigt zum einen, dass auch Vereine unter das AGG fallen und diesbezüglich besondere Sorgfalt anwenden müssen, wenn sie die Mitgliedschaftsrechte bestimmter Gruppen von Mitgliedern bzw. Mitgliedsinteressenten beschneiden wollen. Allerdings zeigt das AG München überzeugend auf, dass sachliche Gründe solche Diskriminierungen rechtfertigen können und ein solcher Sachgrund insbesondere im Zweck des Vereins liegen kann. Vereine können daher weiterhin auf die Satzungsfreiheit vertrauen, sollten Sonderregelungen jedoch sachlich begründen können.
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AG München, Urteil vom 07.09.2017, Az. 231 C 4507/17
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