
Die Finanzverwaltung Schleswig-Holstein hat klargestellt, dass Körperschaften, die nach § 54 AO (Abgabenordnung) steuerbegünstigt sind, in ihrer Satzung den Begriff „kirchliche Zwecke“ durch „religionsgemeinschaftliche Zwecke“ ersetzen können, um den Anforderungen des § 60 AO zu genügen.
Keine Anerkennung der Gemeinnützigkeit für jüdische Religionsgemeinschaft
Im Rahmen der Errichtung einer Stiftung durch eine jüdische Religionsgemeinschaft außerhalb von Schleswig-Holstein kam es zu Problemen mit dem Finanzamt. Konkret wurde der Antrag auf Anerkennung der Gemeinnützigkeit abgelehnt, weil die Satzung den Begriff „religionsgemeinschaftliche Zwecke“ anstelle von „kirchliche Zwecke“ verwendete. Dies entspricht allerdings nicht den Regelungen der Mustersatzung, die als Anlage zu § 60 AO veröffentlicht ist. Diese verwendet, ebenso wie die Gesetzesüberschrift in § 54 AO, den Begriff „kirchliche Zwecke“.
§ 54 AO regelt, dass eine Körperschaft „kirchliche Zwecke“ verfolgt, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) ist, selbstlos zu fördern. Gegenstand der Förderung können mithin nicht nur die „großen“ christlichen Kirchen, sondern vielmehr sämtliche Religionsgemeinschaften, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind (also beispielsweise der Zentralrat der Juden KdöR, Zeugen Jehovas KdöR, der Bund evangelischer Freikirchlicher Gemeinden KdöR, u.v.m.), sein.
Körperschaften, die religiöse Einrichtungen jüdischer Religionsgemeinschaften fördern fallen also ebenfalls unter § 54 AO, werden jedoch nicht als „Kirchen“ im klassischen Sinne betrachtet und die Bezeichnung entspricht auch nicht deren Selbstverständnis.
Neue Formulierung für nicht christliche Religionsgemeinschaften: „religionsgemeinschaftliche Zwecke“
Das Finanzministerium Schleswig-Holstein hat in einer aktuellen Kurzinformation die Finanzverwaltung angewiesen, die Rechtsauffassung zu vertreten, von dem strikten Erfordernis der Anwendung des Begriffs „kirchliche Zwecke“ laut Mustersatzung für nicht christliche Religionsgemeinschaften abzusehen, insbesondere um die Diskriminierung nicht christlicher Religionsgemeinschaften zu vermeiden.
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Eine wichtige Neuerung der Kurzinformation ist die Möglichkeit, den Begriff „kirchliche Zwecke“ durch eine andere geeignete Formulierung (z.B. „religionsgemeinschaftliche Zwecke i.S.d. § 54 AO“) zu ersetzen. Die Finanzverwaltung kündigte zudem an, in den Anwendungserlassen zur Abgabenordnung (AEAO) eine entsprechende Klarstellung vorzunehmen.
Satzung überprüfen und anpassen
Die Entscheidung der Finanzverwaltung Schleswig-Holstein ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Gleichbehandlung von Religionsgemeinschaften im Gemeinnützigkeitsrecht. Für Körperschaften, die nicht kirchliche Religionsgemeinschaften nach § 54 Abs. 1 AO fördern, bedeutet dies, dass sie ihre Satzungen anpassen können, ohne Nachteile bei der Anerkennung ihrer Gemeinnützigkeit befürchten zu müssen.
Für die Praxis empfiehlt es sich für Körperschaften, die ihre Steuerbegünstigung aus § 54 AO ableiten und ihrem Selbstverständnis nach keine „Kirche“ fördern, bestehende Satzungen daraufhin zu überprüfen, ob Begriffe wie „kirchliche Zwecke“ durch neutralere Formulierungen wie „religionsgemeinschaftliche Zwecke i.S.d. § 54 AO“ ersetzt werden sollen, um dem eigenen Selbstverständnis und der Vielfalt der Religionen Rechnung zu tragen.
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