Kürzlich hatte das Landgericht (LG) Hamburg über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats einer deutschen Aktiengesellschaft (AG) zu entscheiden. Die AG war Antragsgegnerin und beschäftigte zum 30.06.2017 konzernweit 2.917 Mitarbeiter, davon jedoch lediglich 1.615 Arbeitnehmer in ihren Konzerngesellschaften in Deutschland. Aufgrund von mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften des Drittelbeteiligungsgesetzes war deswegen ein drittelbeteiligter Aufsichtsrat gebildet worden, dem zu einem Drittel Vertreter der Arbeitnehmerseite angehörten. Der Antragsteller war hingegen der Auffassung, dass alle Arbeitnehmer des Unternehmens, damit auch die im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer, zu berücksichtigen seien. Infolgedessen sei ein paritätischer Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes zu bilden, dem zur Hälfte Vertreter der Arbeitnehmerseite angehören müssten.
Beschränkung auf in Deutschland Beschäftigte
Das LG Hamburg entschied aus überzeugenden Gründen zugunsten der Aktiengesellschaft. Der Aufsichtsrat war zutreffend nach den gesetzlichen Vorschriften des Drittelbeteiligungsgesetzes zusammengesetzt. Die im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer waren nicht zu berücksichtigen. Der Schwellenwert von mehr als 2.000 Arbeitnehmern nach dem Mitbestimmungsgesetz war daher nicht überschritten worden.
Das Landgericht geht in seiner Begründung davon aus, dass der Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes territorial begrenzt ist (sog. Territorialitätsprinzip). Dies entspreche den betriebsverfassungsrechtlichen und kündigungsschutzrechtlichen Grundsätzen. Auch der Wille des Gesetzgebers sowie der Zweck der Unternehmensmitbestimmung lassen nach Auffassung des Gerichts auf eine Beschränkung auf im Inland beschäftigte Arbeitnehmer schließen.
Keine entgegenstehende Rechtsprechung des EuGH
Der Antragsteller war unter Hinweis auf eine nach ihm benannte Rechtssache des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) der Auffassung, die im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer seien aus Gründen des europäischen Rechts zu berücksichtigen. Laut EuGH steht das europäische Recht nationalen Bestimmungen zur territorialen Beschränkung der aktiven und passiven Wahlberechtigung zum mitbestimmten Aufsichtsrat jedoch nicht entgegen.
Zutreffend hat das LG Hamburg die Frage des „Wählens“ auch auf die des „Zählens“ übertragen, um eine unterschiedliche Behandlung auszuschließen. Demnach gilt das Territorialitätsprinzip auch für die Berechnung der Arbeitnehmerzahl. Nur die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer in Konzerngesellschaften der Antragsgegnerin waren daher zu berücksichtigen.
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LG Hamburg, Beschluss vom 06.02.2018, 403 HKO 131/17
EuGH, Urteil vom 18.07.2017, C-566/15, „Erzberger/TUI AG“
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