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Konzernweite Einführung eines Compliance-Management-Systems: Legalitätspflicht der Muttergesellschaften für ihre Tochtergesellschaften?

Konzernweites CMS

Das Thema der konzernweiten Verpflichtung zur Einrichtung eines Compliance-Management-Systems wird in der Literatur immer wieder kontrovers diskutiert. Den Befürwortern zufolge sollen Muttergesellschaften sicherstellen, dass die jeweiligen Tochterunternehmen wirksame Compliancesysteme vorhalten und so mögliche Rechtsverstöße unterbinden. Doch haften Geschäftsleiter der Konzernspitze tatsächlich, wenn sie nicht im gesamten Konzern geeignete und angemessene Maßnahmen zur Verhinderung von Complianceverstößen implementieren?

Konzernspezifisches Trennungsprinzip wackelt

Das konzernspezifische Trennungsprinzip besagt, dass innerhalb eines Konzerns jede ihm angehörende Organisation selbstständig rechtskonformes Verhalten sicherzustellen hat und mögliche (Rechts-)Verstöße nur die jeweiligen Geschäftsleiter der einzelnen Organisationen betreffen, nicht aber die Geschäftsleitung des Mutterkonzerns. Unlängst gibt es jedoch in der Literatur vermehrt Forderungen danach, die Haftung von Rechtsverstößen auf die Konzernspitze auszuweiten.

Ziel ist dabei, die Geschäftsleitung der Konzernspitze zur Sicherstellung von konzernweitem, rechtskonformem Verhalten anzuregen. Dafür angeführt wird eine „konzernweite Legalitätskontrollpflicht“, die ein solches Verhalten begründen soll. Sollte eine solche Legalitätspflicht tatsächlich vorliegen, wären mögliche Haftungen nicht mehr nur auf die jeweilige nicht rechtskonform handelnde Organisation begrenzt.

Möglichkeit zur Einflussnahme begründet Legalitätspflicht?

Ein Hinweis auf eine bestehende konzernweite Legalitätspflicht könnte die Möglichkeit zur grundsätzlichen Einflussnahme der Muttergesellschaften auf die Tochtergesellschaften sein. Allerdings sieht das Konzernrecht gerade eine strikte Trennung der jeweiligen Organisationen innerhalb eines Konzerns vor, um die Eigenständigkeit der (Tochter-)Gesellschaften zu sichern und sie vor einem beherrschenden Einfluss durch die Mutterorganisation zu schützen. Das Prinzip wurde jedoch in letzter Zeit – unter anderem im Hinblick auf öffentlichkeitswirksame Kartellrechtsverstöße – mehrmals von Gerichten wie dem LG München oder dem OLG Stuttgart aufgeweicht, was eine Legalitätspflicht der Muttergesellschaften auch für andere Compliancebereiche impliziert. Ansätze aus der Rechtsliteratur sehen ebenfalls eine sich aus der konzernweiten Legalitätskontrollpflicht ergebende konzernweite „Complianceverantwortung“.

Zudem wird der Geschäftsleiter der Mutterorganisation in der Verantwortung gesehen, den Wert der (Tochter-)Gesellschaften zu erhalten. Dies kann ebenfalls durch entsprechende Compliancemaßnahmen unterstützt werden. Auch in diesem Rahmen wird von einer konzernweiten „Complianceverantwortung“ gesprochen.

Divergierende Meinungen zu Pflichten der Mutter- und Tochtergesellschaften

Die Meinungen zu den Compliancepflichten der Muttergesellschaften divergieren. Ein Teil der Literatur behauptet vehement das Bestehen einer konzernweiten Legalitäts- und Legalitätskontrollpflicht, gleichzeitig gibt es Stimmen, welche die Muttergesellschaften gegenüber den Tochtergesellschaften nicht in der Pflicht sehen, auch für diese angemessene Compliance-Management-Systeme vorzuhalten.

Nach den Regelungen des Aktiengesetzes haben die „Organwalter“ von Kapitalgesellschaften für die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters einzustehen. Daraus ist jedoch lediglich abzuleiten, dass ein Mitglied der Geschäftsleitung der Muttergesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn es seine Compliancepflichten schuldhaft verletzt und dadurch einen Schaden für die Muttergesellschaft verursacht. Von dieser Haftung können jedoch auch mittelbare Schäden der Muttergesellschaft erfasst sein, die in Gestalt von Wertminderungen des Vermögens der unmittelbar geschädigten Tochtergesellschaft eintreten. Aufgrund der vorgenannten – in gewissen Konstellationen eintretenden – konzernweiten Haftung lässt sich somit durchaus – mit guten Argumenten – eine Pflicht zur Errichtung eines konzernweiten Compliancesystems begründen.

Geschäftsführer sollten sich absichern

Nachdem sich derzeit endgültig aus Literatur und Rechtsprechung keine eindeutige Rechtsmeinung herausarbeiten lässt, bleibt das Thema der konzernweiten Legalitätspflicht für Organe von Muttergesellschaften weiterhin ein unberechenbares Risiko. Zu groß ist die Anzahl der unterschiedlichen Auffassungen und Argumentationen, um mit Bestimmtheit einem Rechtsansatz sicher folgen zu können.

Allerdings lässt sich anhand des – wenn auch vorerst auf Eis liegenden – Verbandssanktionengesetzes die Tendenz erkennen, dass der Gesetzgeber in Zukunft ein wesentlich stärkeres Augenmerk auf rechtskonformes Verhalten innerhalb der Unternehmen legen möchte. Wer daher Haftungsrisiken minimieren möchte, dem obliegt es, wirksame Compliancemaßnahmen auch konzernweit sicherzustellen. Zu groß ist das Risiko, in Einzelfällen von den Gerichten böse überrascht zu werden. Unsere Experten beraten Sie hierzu gerne!

Weiterlesen:
Unternehmen müssen Corporate Governance Kodex 2022 umsetzen
Was ist ein Compliance-Management-System?

Dr. Constantin Goette

Rechtsanwalt Dr. Constantin Goette berät an den Standorten Frankfurt am Main und München im Bereich Gesellschaftsrecht und ist auf Corporate Governance, Organhaftung und Compliance spezialisiert.

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