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Kommunale Pflichtaufgaben nach Ausgliederung gemeinnützig – Neue Handlungsformen für die staatliche Verwaltung

Ist eine Körperschaft, die eine kommunale Pflichtaufgabe im Auftrag einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ausführt, selbstlos und damit gemeinnützig tätig? Diese Frage hatte das FG Berlin-Brandenburg in einem Fall zu beantworten, in dem ein Landkreis eine von ihm selbst gegründete GmbH mit der Durchführung einer hoheitlichen Aufgabe beauftragt hatte. Im Ergebnis befand das Gericht, dass weder die Übertragung hoheitlicher Pflichtaufgaben auf eine privatrechtliche Körperschaft noch der Umstand, dass die Körperschaft von der juristischen Person selbst gegründet worden war, der Gemeinnützigkeit entgegen stünden. Die Entscheidung eröffnet damit neue Organisationsmöglichkeiten für die kommunale Aufgabenerfüllung.

Das Gesetz verpflichtet Land- und Stadtkreise, kreisfreie Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände zur Übernahme bestimmter Selbstverwaltungsaufgaben. Im vorliegenden Fall ging es um die Pflichtaufgabe eines Landkreises zur Durchführung des Rettungsdienstes nach dem Brandenburgischen Rettungsdienstgesetz. Der Landkreis beauftragte eine von ihm selbst gegründete GmbH mit der Durchführung dieser Pflichtaufgabe. Die GmbH, deren Gesellschaftsvertrag den inhaltlichen Anforderungen des § 59 AO entsprach, beantragte die Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft. Mit der Begründung, die GmbH sei als kommunale Eigengesellschaft anzusehen, die auf Grund der Übernahme einer hoheitlichen Pflichtaufgabe nicht selbstlos tätig sein könne, lehnte die Finanzverwaltung den Antrag jedoch ab.

Das Gericht folgte der Ansicht der Finanzverwaltung nicht. Sofern es sich bei der übertragenen Aufgabe um eine gemeinnützige Tätigkeit handele, sei die Selbstlosigkeit nicht allein deswegen zu verneinen, weil durch die Tätigkeit gleichzeitig eine hoheitliche Pflichtaufgabe erfüllt werde. Die Übertragung einer Pflichtaufgabe auf eine von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gegründete Körperschaft sei nicht anders zu behandeln als die Übertragung von Aufgaben durch gemeinnützige Verbände, wie z.B. Wohlfahrtsverbände, auf ausgegliederte Körperschaften. Deren Selbstlosigkeit werde auch von Seiten der Finanzverwaltung nicht angezweifelt.

Das Gericht stellte ferner fest, dass die vertragliche Dreiecksbeziehung (die GmbH verpflichtete sich gegenüber dem Landkreis und nicht gegenüber den letztlich geförderten Personen) ertragsteuerlich unbedenklich sei. Es setzt damit einen gewissen Trend in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung fort, den der BFH bisher nur im Bereich des Umsatzsteuerrechts nachvollzieht (vgl. hier und hier). Zugleich bejahten die Richter auch die Zweckbetriebseigenschaft jedenfalls der klassischen Notfallrettung, die durch private Gewerbetreibende nicht erbracht werden darf. Ob darüber hinaus den Erwägungen des BFH in Bezug auf Krankentransporte und Rettungsdienste zu folgen sei, ließen die Richter hingegen ausdrücklich offen (siehe zur Auffassung des BFH hier sowie Winheller/Klein, DStZ 2008, 377 ff.).

Hinweis: Es darf mit Spannung erwartet werden, wie sich der BFH positioniert, bei dem die Sache unter dem Az. I R 17/12 anhängig ist. Schließt sich der BFH dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg an, eröffnet dies kommunalen Gebietskörperschaften im weiten Feld der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben neue gesellschafts- und steuerrechtliche Strukturierungen. Überall dort, wo pflichtige Aufgaben zugleich einen der steuerbegünstigten Zwecke des § 52 Abs. 2 AO abbilden, ist dann an die Gründung und den Einsatz gemeinnütziger Körperschaften zu denken. Abgesehen von den steuerlichen Vorteilen einer gemeinnützigen Betätigung weisen gemeinnützige Körperschaften als Mittler zwischen Staat und Privatwirtschaft bereits ihrer Natur nach eine größere Nähe zu hoheitlicher Daseinsvorsorge und Aufgabenerfüllung auf als privatwirtschaftliche Gesellschaftsformen. Haushaltsverantwortliche und Kämmerer sind daher gut beraten, sich inhaltliche Nähen von kommunalem und gemeinnützigem Handeln bewusst zu machen und die Errichtung gemeinnütziger Rechtsträger verstärkt in ihre Überlegungen mit einzubeziehen.

FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 07.02.2012, Az. 6 K 6086/08.

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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