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Keine Haftung des Geschäftsführers bei „stillschweigendem“ Einverständnis der Gesellschafter

Handelt ein Geschäftsführer aufgrund einer Weisung oder eines auf ausreichender Informationsgrundlage gefassten Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung, so haftet er nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht für die anschließend entsprechend ausgeführten Geschäftsführungsmaßnahmen. Auch mehren sich die Meinungen – gerade durch jüngste Äußerungen des Bundesgerichtshofs (BGH) –, dass ebenso ein lediglich „konkludentes“ bzw. stillschweigendes Einverständnis der Gesellschafter die Haftung des Geschäftsführers für anschließende Maßnahmen entfallen lassen kann.

Erste Voraussetzung: Gesellschafter müssen ausreichend informiert sein

Der BGH und die herrschende Literaturmeinung gehen davon aus, dass die stillschweigende Billigung von Geschäftsführungsmaßnahmen einem konkludenten Gesellschafterbeschluss entspricht. Voraussetzung hierfür ist nur, dass sämtliche Gesellschafter nach ausreichender Information über den Sachverhalt mit dem Handeln des Geschäftsführers einverstanden sind. Dieses Einverständnis könne sich aus bestimmten Umständen ergeben, aber eben auch stillschweigend erteilt werden.

So führte der BGH in seinem jüngsten Beschluss vom 08.02.2022 (II ZR 118/21, NZG 2022, 710) aus, dass eine zumindest stillschweigende Übereinkunft der Gesellschafter im Einzelfall dann anzunehmen ist, wenn der Geschäftsführer in Anbetracht des Sach- und Kenntnisstands der Gesellschafter bis zu einer gegenteiligen Weisung berechtigterweise davon ausgehen darf, mit ihrem Einverständnis zu handeln.

Erste Vorrausetzung für solch ein stillschweigendes Einverständnis der Gesellschafterversammlung ist, dass diese in ausreichendem Umfang zutreffende Kenntnis von den geplanten Geschäftsführungsmaßnahmen hat. Dem BGH zufolge ist diese Kenntnis allein jedoch noch nicht ausreichend dafür, um schlussfolgern zu können, dass die Gesellschafter mit der Geschäftsführungsmaßnahme auch einverstanden sind. Der Geschäftsführer muss zusätzlich zur Erörterung der Sachlage mit den Gesellschaftern, aber grundsätzlich auch aufgrund weiterer Umstände, vernünftigerweise davon ausgehen dürfen, dass er mit dem Einverständnis grundsätzlich aller Gesellschafter handelt.

Zweite Voraussetzung: Vorliegen „weiterer Umstände“

Wenn sich also durch das Schweigen der Gesellschafter noch kein eindeutiges Interesse ermitteln lässt, verlangt der BGH das Vorliegen von „weiteren Umständen“.

Dabei ist stets eine umfassende Betrachtung sämtlicher wesentlicher Umstände erforderlich. Es bietet sich an, sowohl die Besonderheiten der Gesellschaft als auch solche der konkreten Situation genau zu beleuchten. So wirkt sich etwa die Anzahl der vorhandenen Gesellschafter sowie die Tatsache, ob die Gesellschaft einen Fremdgeschäftsführer beschäftigt oder einen Geschäftsführer aus ihrer eigenen Mitte stellt, darauf aus, ob eine einvernehmliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung zu einzelnen Maßnahmen angenommen und im Streitfall bewiesen werden kann.

Des Weiteren können ein enges Vertrauensverhältnis der Gesellschafter zum Geschäftsführer – sei es aufgrund seiner überragenden Kompetenzen oder aufgrund langjähriger Erfahrungen –, Notgeschäfte in Eilfällen oder eine günstige Wirtschaftslage Anhaltspunkte dafür sein, dass der Geschäftsführer bei seinen Maßnahmen von einer stillschweigenden Zustimmung der Gesellschafterversammlung ausgehen darf.

Anders verhält es sich jedoch beispielsweise in Konfliktlagen zwischen Gesellschaftern und dem Geschäftsführer, in schweren wirtschaftlichen Lagen der Gesellschaft oder aber bei bedeutsamen Geschäftsentscheidungen: Hier wird der vernünftige Geschäftsführer regelmäßig nicht ohne gewissenhafte Prüfung und Vorbereitung der Maßnahmen vom Vorliegen eines Einverständnisses der Gesellschafterversammlung ausgehen dürfen. Dies folgt allein schon aus seiner Pflicht zum pflichtgemäßen Handeln im Sinne der „Business Judgement Rule“.

Ausnahmen vom Erfordernis „weiterer Umstände“

Wie der jüngste Beschluss des BGH verdeutlicht, kann aber auch bereits Schweigen allein in einigen Fällen – ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – ausreichen für die Annahme des Geschäftsführers, dass sämtliche Gesellschafter mit seinem Handeln einverstanden sind. Einen solchen Fall nimmt die Rechtsprechung insbesondere dann an, wenn der Geschäftsführer ein übergeordnetes und von den Gesellschaftern gewolltes Ziel – wie z.B. die Aufnahme eines Finanzierungsdarlehens – verfolgt. Das Schweigen der Gesellschafter kann ebenso ausreichend sein, wenn zumindest ein Gesellschafter die Sachfrage in Gegenwart der übrigen Gesellschafter mit dem Geschäftsführer erörtert hat, ohne dass die übrigen Gesellschafter daran Kritik oder Ablehnung bekundet haben.

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Zur Vermeidung von Haftungsrisiken empfiehlt WINHELLER im Fall von bedeutenden bzw. explizit zustimmungsbedürftigen Geschäftsführungsmaßnahmen, diese lediglich auf Basis eines ausdrücklichen Gesellschafterbeschlusses vorzunehmen. Benötigen Sie Hilfe als Geschäftsführer Ihrer Gesellschaft? Wir beraten Sie gerne hinsichtlich sämtlicher gesellschaftsrechtlicher Thematiken.

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Dr. Constantin Goette

Rechtsanwalt Dr. Constantin Goette berät an den Standorten Frankfurt am Main und München im Bereich Gesellschaftsrecht und ist auf Corporate Governance, Organhaftung und Compliance spezialisiert.

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