Die rechtliche Literatur geht bislang davon aus, dass das neue Feststellungsverfahren gemäß § 60a AO nun auch (endlich) NPOs aus dem europäischen Ausland die Möglichkeit eröffnet, ihre Satzungsmäßigkeit nach deutschem Recht feststellen zu lassen. Vor allem für ausländische NPOs, die in Deutschland Fundraising betreiben möchten, wäre dies eine große Erleichterung. Die Regelung des § 60a AO ist von ihrem Wortlaut her offen für solche Anträge aus dem Ausland – allein die Frage, bei welchem Finanzamt der Antrag zu stellen ist, kann im Einzelfall schwierig zu beantworten sein. Nichtsdestotrotz: Die Finanzverwaltung scheint kein gesteigertes Interesse an Anträgen ausländischer Organisationen zu haben und will ihnen offenbar einen Riegel vorschieben.
Überarbeitung des AEAO
Wie jetzt bekannt wurde, arbeitet aktuell eine Bund-Länder-Gruppe an einer Überarbeitung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) – angeblich mit dem Ziel, die Erteilung von Feststellungsbescheiden an ausländische NPOs zu verhindern. Als Grund für diese restriktive Haltung wird genannt, dass ein solches Verfahren systemfremd sei und sich die Verwaltung auch rein praktisch außerstande sehe, derlei Anträge zu bescheiden.
Herber Rückschlag für grenzüberschreitende Gemeinnützigkeit
Sollten sich die Gerüchte bewahrheiten, wäre dies ein herber Rückschlag für eine grenzüberschreitende Gemeinnützigkeit. Statt die Chance, die der neue § 60a AO eröffnet, konsequent zur Verwaltungsvereinfachung zu nutzen – bspw. durch Einführung einer zentralen deutschen Behörde für derlei Feststellungsverfahren (für inländische und ausländische Organisationen) – würde die Finanzverwaltung bekannte Verhaltensmuster offenbaren: Auf Teufel komm‘ raus Traditionelles bewahren und sich in Literatur und Rechtsprechung offen zutage tretenden europäischen Öffnungstendenzen konsequent verweigern.
Auch wenn der zu befürchtende Ausschluss ausländischer NPOs aus § 60a AO vor diesem Hintergrund nicht wirklich überraschen würde, wäre er doch brisant: Ist es schon bisher nur schwer erträglich, dass die Finanzverwaltung ihr ungünstiger Rechtsprechung konsequent mit Nichtanwendungserlassen und ähnlichen Abwehrstrategien die Gefolgschaft versagt (vgl. hierzu ausführlich Spindler, Zum Umgang mit Nichtanwendungserlassen der Finanzverwaltung, in: DAV (Hrsg.), Steueranwalt 2012/2013, S. 151 ff.), würde sich die Verwaltung doch ganz offensichtlich zum Ersatzgesetzgeber aufschwingen, wenn sie nun tatsächlich darauf aus sein sollte, ein kürzlich erlassenes Gesetz schlicht zu missachten oder gegen seinen Wortlaut „auszulegen“.
Einhaltung des Europarechts
Es bleibt zu hoffen, dass sich die Gerüchte aus dem Dunstkreis der Bund-Länder-Gruppe als Ente herausstellen oder aber die Verwaltung doch noch zur Vernunft kommt. Sollte dem nicht so sein, sind mutige ausländische NPOs aufgefordert, die sich auf Abwegen befindliche Verwaltung im Klagewege zur Besinnung zu rufen und zur Einhaltung der deutschen Verfassung und des Europarechts zu zwingen. Der Gesetzgeber wiederum ist gut beraten, sich nicht wieder – wie im Steuerrecht leider viel zu häufig – vor den Karren der Finanzverwaltung spannen zu lassen und den gerade erst in Kraft getretenen § 60a AO nicht voreilig zum Nachteil der europäischen Gemeinnützigkeit zu ändern.
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