Die Industrie- und Handelskammern (IHK) haben nach § 1 Abs. 1 des Industrie- und Handelskammergesetzes (IHKG) die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts (VG) Düsseldorf dürfen sie allerdings keine Stiftungen errichten, die humanitäre, gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verfolgen.
IHK-Stiftung verfolgte auch humanitäre, gemeinnützige und mildtätige Zwecke
Die IHK Mittlerer Niederrhein errichtete vor etlichen Jahren – damals unter einem anderen Namen – die unselbstständige Stiftung „IHK Jubiläumsstiftung Krefeld“, die sich der Pflege des Standortes Krefeld widmet. Die Stiftungszwecke umfassen insbesondere die Förderung der Erziehung, Kunst, Pflege von Kulturwerten, Denkmalspflege, Heimatpflege und Heimatkunde. In der Stiftungssatzung sind darüber hinaus humanitäre Zwecke sowie mildtätige und sonstige gemeinnützige Zwecke als förderfähig anerkannt.
Überschreiten des Kompetenzbereichs der IHK
Ein Mitglied der IHK bemängelte, dass die IHK durch die Errichtung der Stiftung ihren Kompetenzbereich überschritten habe und klagte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf. Die Trägerschaft der unselbstständigen Stiftung sei zwar grundsätzlich in Ordnung, so das VG Düsseldorf. Die humanitären, mildtätigen und sonstigen gemeinnützigen Zwecke überschritten jedoch den Kompetenzrahmen der IHK, weil sie im allgemeinen öffentlichen Interesse stünden und keinen Bezug zur gewerblichen Wirtschaft aufweisen.
Die Aufgabenzuweisung der IHK sei auf Tätigkeiten mit Bezug zur Wirtschaft beschränkt. Soweit sich die Unternehmerschaft auch in der Pflicht sähe, über ihre wirtschaftliche Tätigkeit hinaus gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, läge dies zweifellos im öffentlichen Interesse, werde aber nicht mehr als Aufgabe der Kammern von § 1 Abs. 1 IHKG erfasst. Denn die Förderung rein humanitärer, mildtätiger und sonstiger gemeinnütziger Zwecke lasse nachvollziehbare Auswirkungen auf die Wirtschaft vermissen.
Entscheidung problematisch im Hinblick auf Sozialstaatsprinzip
Mit seiner Argumentation zur Überschreitung des Kompetenzrahmens dürfte das VG Düsseldorf zu kurz gegriffen haben. Es ist zwar richtig, dass die primäre Aufgabe der IHK die Wahrnehmung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft ist. Zu „Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns“ (vgl. § 1 Abs. 1 2. HS IHKG), auf deren Einhaltung die IHKs ebenfalls hinwirken sollen, gehört es aber zweifellos auch, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und sich sozial zu engagieren. Ein solches Selbstverständnis fördert im Übrigen auch das Ansehen der Unternehmerschaft in ihrer Gesamtheit. Im Aktienrecht ist es daher anerkannt, dass sich eine Aktiengesellschaft im angemessenen Rahmen auch sozial engagieren darf. Ähnliches wird auch bei Berufsverbänden und gemeinnützigen Körperschaften, die andere als soziale Zwecke verfolgen, diskutiert.
Die Entscheidung ist übrigens auch im Hinblick auf Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) problematisch, denn Art. 20 Abs. 1 GG enthält eine Staatszielbestimmung, die alle Staatsorgane zur Verfolgung dieses Ziels, nämlich grob gesagt: zur Förderung des Gemeinwohls, verpflichtet. IHKs sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und daher besonders staatsnah. Gerade sie sollten daher (auch) öffentliche Interessen verfolgen dürfen, zumindest soweit dies positive Auswirkungen auf ihre eigentliche Zwecksetzung, die Förderung der Interessen der gewerblichen Unternehmer, hat.
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VG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.2016, Az. 20 K 3417/15
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