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Hinduistische Religionsgemeinschaft wird Körperschaft des öffentlichen Rechts

Viele Glaubensgemeinschaften sind mittlerweile als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt. Dazu zählen beispielsweise die Freikirchlichen Gemeinden, die Zeugen Jehovas, die Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland und die Bahá´í-Gemeinde in Deutschland. Auch eine hinduistische Tempelgemeinschaft in Nordrhein-Westfalen konnte sich diesen Status nun erstreiten. Mit Urteil vom 07.06.2013 hat das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg das Land dazu verpflichtet, dem hinduistischen Verein die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen.

Religionsgemeinschaften können Körperschaft des öffentlichen Rechts werden

Religionsgemeinschaften können gemäß Art. 137 Abs. 5 S. 2 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) beantragen, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zu werden, wenn sie „durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten“. Über Art. 140 GG ist dieser Artikel geltendes Verfassungsrecht.

Vereine, die einen solchen Status begehren, müssen danach zwei Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen zum einen eine Religionsgemeinschaft bilden, die sich durch ein gemeinsames Glaubensbekenntnis auszeichnet. Dafür muss die Religionsgemeinschaft die Angehörigen dieses Glaubensbekenntnisses vereinen und das Glaubensbekenntnis pflegen, betätigen und verbreiten. Zum anderen – als zweite Voraussetzung – muss die Gemeinschaft durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder auch die Gewähr der Dauer bieten. Dieses Kriterium ist auf die Zukunft bezogen. Es verlange, so das Gericht, eine Prognose, ob die Religionsgemeinschaft auf Dauer Bestand haben wird. Der Begriff der Verfassung meine dabei mehr als eine rechtliche Satzung. Unter Verfassung sei nämlich der tatsächliche Zustand der Gemeinschaft, also ihre Verfasstheit, zu verstehen. Die Zahl der Mitglieder sei dafür ein wesentliches Element. Aus ihr allein könne aber wiederum nicht auf den künftigen Fortbestand der Religionsgemeinschaft geschlossen werden. Insbesondere sei es verfehlt, den dauerhaften Bestand einer Religionsgemeinschaft von einem gewissen Verhältnis der Mitglieder zur Gesamtbevölkerung des jeweiligen Bundeslandes abhängig zu machen (i.d.R. ein Tausendstel der Bevölkerung), so wie es die Verwaltung regelmäßig tut. Vielmehr müsse berücksichtigt werden, wie lange die Religionsgemeinschaft bereits besteht, wie sich der Mitgliederbestand über die Jahre verändert hat, wie die Altersstruktur zu bewerten ist etc.

Bestimmte Voraussetzungen müssen erfüllt werden

Die erste Voraussetzung war für die hinduistische Glaubensgemeinschaft leicht zu erfüllen: Dem Urteil zufolge finden auf dem Tempelgelände drei Mal täglich Verehrungszeremonien für hinduistische Götter statt, es wird religiöser Unterricht erteilt, Hochzeitszeremonien werden abgehalten und hinduistische Feiertage begangen. Daneben gebe es eine Vielzahl religiöser und sozialer Angebote, wie Tempelführungen und Sprach-, Tanz-, Yoga- und Meditationskurse.

Und auch die zweite Voraussetzung sah das VG Arnsberg als erfüllt an. Die Umstände sprächen klar für einen dauerhaften Bestand: Der Verein habe zwar nur rund 1.200 Mitglieder in NRW und damit deutlich weniger als 1/1000 der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens. Die meisten von ihnen seien dem Verein aber erst in jüngerer Zeit beigetreten. Dies zeuge von der wachsenden Bedeutung der Tempelgemeinschaft. Da die Gemeinschaft außerdem „eine maßgebliche Institution des Hinduismus und damit eine der ältesten und größten Religionen der Welt darstellt“, habe die Gemeinschaft auch künftig das Potential, weitere Mitglieder anzuziehen.

KdöR kann sich selbst Gesetze geben und Steuern verlangen

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ein Mittel zur Erleichterung und zur Entfaltung der Religionsfreiheit. Er soll die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften stützen. Der besondere Status gibt den Körperschaften neben ihrer Organisationsgewalt beispielsweise auch das Recht, sich selbst Gesetze zu geben und Steuern von ihren Mitgliedern zu verlangen. Sobald ein Verein als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt wurde, endet unter bestimmten Voraussetzungen die rechtliche Existenz des ursprünglichen Vereins.

Die spätestens seit der Entscheidung des BVerwG v. 28.11.2012 (6 C 8.12) vollzogene Abkehr von pauschalen Richtwerten (Zahl der Mitglieder im Vergleich zur Bevölkerung des Bundeslandes) rückt den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts für viele weitere Religionsgemeinschaften in greifbare Nähe. Besonders einfach dürften es Religionsgemeinschaften haben, die – anders als neu gegründete Gemeinschaften – großen Weltreligionen zugehörig sind. So dürfte es z.B. nur eine Frage der Zeit sein, bis auch der Buddhismus in Deutschland als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt wird.

Weiterlesen:
Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts – Voraussetzungen und Vorteile

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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4 Antworten zu "Hinduistische Religionsgemeinschaft wird Körperschaft des öffentlichen Rechts"

  1. Iqbal Singh sagt:

    wir möchten gerne eine Glaubensgemeitschaft der sikhs bilden, was müssen wir tun um das zu erledigen order was sind die kriterien in Körperschaften des öffentlichen Rechts als sikh gemeinde anerkannt zu werden.
    Bitte um einen Rat.

    MfG
    Iqbal Singh

    • Sehr geehrter Herr Singh,

      Der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts wird durch die einzelnen Bundesländer verliehen. Dieser Status hat zwar „Ausstrahlung“ auf die übrigen Bundesländer, in dem Sinne, dass der Körperschaftsstatus bundesweite Verbindlichkeit hat, die Korporationsrechte können aber nur in dem Bundesland ausgeübt werden, in dem der Status als KdöR verliehen wurde. Die Verleihung erfolgt durch einen statusbegründenden Rechtsakt.

      Die Rechte einer KdöR werden nur auf Antrag verliehen. Der Antrag ist bei dem für Religionsangelegenheiten zuständigen Ministerium zu stellen.

      Die Anerkennung als KdöR hat insbesondere die folgenden Voraussetzungen:

      1. Für die Religionsgemeinschaft muss die Gewähr der Dauer erfüllt sein. Dies ist der Fall, wenn der Gesamtzustand der Religionsgemeinschaft (v.a. auch ihre Satzung) eine institutionelle Kontinuität sicherstellt, d.h. wenn gewährleistet ist, dass die Religionsgemeinschaft unabhängig von personellen Wechseln bestehen kann. Maßgebliche Indizien hierfür sind:

        – eine hinreichende, über mindestens zwei Generationen bewährte Beständigkeit der Überzeugungen, die die Konsensgrundlage der Religionsgemeinschaft ausmachen (teilweise wird auch ein Zeitraum von mindestens 30 Jahren verlangt),
        – eine entsprechende Verbindlichkeit der Mitgliedschaft,
        – die Beständigkeit der gemeinschaftlichen Willensbildung auf dieser Grundlage und
        – ein Zugang zu finanziellen Mitteln, die das Wirken der Religionsgemeinschaft nach außen verlässlich machen, insbesondere eine Insolvenz ausschließen.

      2. Als weiteres Kriterium gilt die Zahl der Mitglieder. Früher war ein Promille der Bevölkerung des jeweiligen Bundeslandes erforderlich. Das Kriterium der Mitgliederzahl darf aber nach neuerer Rechtsprechung nicht allein nach absoluten Grenzwerten bestimmt werden, sondern bedarf einer prognostischen Bewertung. Es kann also bei geringerer Mitgliederzahl dargelegt werden, dass sich die Religionsgemeinschaft im Vordringen befindet, sich etabliert und wächst. Außerdem sind die Mitglieder über die Grenzen des Bundeslandes und ggf. auch über die Grenzen der Bundesrepublik zu berücksichtigen.

      3. Als weiteres Kriterium wird die Rechtstreue der Religionsgemeinschaft vorausgesetzt. D.h. sie muss sich im Grundsatz bereit und fähig zeigen, die Schranken der Religionsfreiheit einzuhalten und von ihrem Selbstbestimmungsrecht sowie von den dafür angebotenen öffentlich-rechtlichen Handlungsformen nur innerhalb des für alle Geltenden Gebrauch zu machen.

      4. Zuletzt wird noch eine gewisse Intensität des religiösen Lebens vorausgesetzt. Der Glaube muss also auch tatsächlich in der Religionsgemeinschaft gelebt werden.

      Wenn alle Voraussetzungen vorliegen, hat die Religionsgemeinschaft einen Anspruch auf Verleihung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus.

      Gerne sind wir bei einem solchen KdöR-Antrag behilflich.

      Mit freundlichen Grüßen
      Johannes Fein

  2. Roth sagt:

    Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Winheller,

    auf der Seite des Bundesministeriums des Innern, NRW Religionsgemeinschaften, die auf Landesebene den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen, ist die hinduistische Religionsgemeinschaft nicht aufgeführt. Bedeutet es, dass die oben genannte Entscheidung des VG Arnsberg, noch nicht rechtskräftig geworden ist?

    Mit freundlichen Grüßen

    Roth

    • Stefan Winheller sagt:

      Hallo Herr Roth,

      vielen Dank für Ihre Nachfrage. Wir haben uns beim OVG Münster informiert und in Erfahrung gebracht, dass die Sache mittlerweile dort in der nächsten Instanz anhängig ist (unter dem Aktenzeichen: 5 A 1676/13). Die Entscheidung des VG Arnsberg ist also in der Tat noch nicht rechtskräftig, was der Grund dafür ist, dass die Religionsgemeinschaft in der offiziellen Liste des Bundesministeriums noch nicht aufgeführt ist.

      Mit freundlichen Grüßen
      Stefan Winheller

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