Die Coronapandemie hat bei vielen Vereinen für ausschließlich virtuelle Zusammenkünfte gesorgt. Wenn die Mitgliederversammlung online stattfindet, ist dafür eine Grundlage in der Satzung notwendig. § 5 COVMG erlaubt noch bis Ende August 2022 virtuelle Versammlungen auch ohne Satzungsgrundlage. Demnach kann der Vorstand eine virtuelle oder hybride Durchführung der Mitgliederversammlung auch ohne Satzungsregel beschließen.
Erkenntnisse aus 2 Jahren virtueller Versammlungen
Die Erfahrungen mit dem virtuellen Format sind durchaus positiv. Zwar ließ die rein virtuelle Durchführung von Mitgliederversammlungen insbesondere bei kleineren, örtlich beschränkten Vereinen häufig das übliche Miteinander vermissen. Doch die Möglichkeit der Zuschaltung von Mitgliedern, die aufgrund terminlicher oder gesundheitlicher Verhinderung ansonsten nicht teilnehmen können, wurde sehr wertgeschätzt. Gleiches gilt bei überregional tätigen Verbänden: Sicherlich gehören der persönliche Austausch und das Networking im beruflichen Umfeld auch zu formalen Mitgliederversammlungen dazu. Doch zusätzlich zu gesundheitlichen Verhinderungen zeigt auch die oft weite Anreise zum Tagungsort den Vorteil einer virtuellen Zuschaltung. Die meisten Vereine und Verbände haben daher die Möglichkeit einer hybriden Durchführung als zukunftsweisend für sich entdeckt.
Gesetzgeber wird aktiv
Aus den Erfahrungen heraus hat die Bundesregierung bereits im Februar einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die virtuelle Hauptversammlung bei Aktiengesellschaften dauerhaft ermöglicht. Die rein virtuelle Versammlung wird hierbei an verschiedene Voraussetzungen, wie z. B. die Übertragung mit Ton und Bild sowie die Möglichkeit der virtuellen Abstimmung geknüpft. Die Option muss allerdings in der Satzung verankert werden.
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Im März folgte dann der Gesetzentwurf zur Ermöglichung virtueller Gesellschafterversammlungen in GmbHs. Diese sollen auch ohne Regelung im Gesellschaftsvertrag möglich sein – solange kein Gesellschafter widerspricht. Angesichts der daraus entstehenden Unsicherheit über das allseitige Einverständnis wird diese Option nur für GmbHs mit überschaubarem Gesellschafterkreis hilfreich sein.
Gesetzesinitiative aus Bayern für Vereine
Der Freistaat Bayern hat im Mai nun für Vereine eine Lanze gebrochen und den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des § 32 BGB in den Bundesrat eingebracht, wodurch eine hybride Mitgliederversammlung auch ohne entsprechende Satzungsregel zulässig sein soll. Die Vermutung liegt nahe, dass die derzeit massenhaft durchgeführten Satzungsänderungen zur Ermöglichung virtueller Mitgliederversammlungen schlicht zur (endgültigen) Überlastung der Vereinsregister geführt hat, die durch die neue Gesetzeslage überflüssig werden soll.Doch der Teufel steckt im Detail: Die Regelung ermöglicht keine Entscheidung des Vorstands, die Mitgliederversammlung komplett virtuell durchzuführen. Es muss für alle bzw. einzelne Mitglieder weiterhin die Möglichkeit geben, an einem physischen Versammlungsort in Präsenz zusammen zu kommen. Damit sind nur hybride Mitgliederversammlungen möglich, für rein virtuelle Formate bleibt die Satzungsänderung erforderlich.
Rechtsfortbildung wird verhindert
Das Manko dabei ist nicht bloß eine Einschränkung der Entscheidungsgewalt des Vorstandes, sondern vielmehr das strikte Erfordernis, einen Versammlungsort jederzeit vorzuhalten, auch wenn wohl alle Mitglieder virtuell teilnehmen werden. Denn ohne Satzungsregelung stünde es den Mitgliedern frei, sich noch bis zum Beginn der Versammlung zwischen virtueller Zuschaltung und Präsenzteilnahme zu entscheiden.
Daneben schneidet der Gesetzentwurf eine Fortbildung des geltenden Rechts ab. Aktuell wäre es denkbar, dass die Gerichte § 32 BGB generell so auslegen, dass überhaupt kein physischer Versammlungsort notwendig ist, sondern dieser eben auch rein im virtuellen Raum liegen kann. Sollte nun aber eine Norm ausdrücklich bestimmen, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort virtuell teilnehmen können, wird damit die grundsätzliche Notwendigkeit eines physischen Versammlungsortes zementiert. Dann geht ohne (weiterführende) Satzungsregelung erst recht nichts mehr.
Regelung zum Umlaufverfahren fehlt
Generell nimmt der Gesetzesentwurf nicht alle Regelungen des § 5 COVMG auf. So fehlt auch die aktuelle Regelung zur Zulässigkeit von Beschlussfassungen im Umlaufverfahren, also ohne Durchführung einer Versammlung z.B. per E-Mail. Ohne eine Regelung in der Satzung erfordert ein solcher Beschluss allerdings die Zustimmung sämtlicher Mitglieder. Dies ist in der Praxis aufgrund von „Karteileichen“ in den seltensten Fällen realistisch. Gerade für Vorstandsbeschlüsse ist ein solches Umlaufverfahren jedoch sehr sinnvoll, sodass es Eingang in die Satzung finden sollte.
Schritt in Richtung Digitalisierung
Gleichwohl ist erkennbar, dass der Gesetzgeber der Digitalisierung Deutschlands Schritt für Schritt näherkommt. In sämtlichen Rechtsformen ist eine erhöhte Beteiligung an Versammlungen erkennbar, wenn hierzu keine persönliche Anreise erforderlich ist. Die Teilhabe ansonsten körperlich eingeschränkter Teilnehmer wird ebenfalls erhöht. Nachdem nun Aktiengesellschaften, GmbHs und Vereine mit entsprechenden Gesetzesinitiativen bedacht sind, kann auch ein entsprechender Vorstoß für Genossenschaften nicht mehr lange auf sich warten lassen.
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