
Erhalten Wissenschaftler finanzielle Mittel für ihre Forschungsarbeit, stellt sich die Frage, ob diese lohnsteuerpflichtig sind. Diese Frage ist wichtig, da den Förderern hohe Lohnsteuernachzahlungen drohen könnten, falls sich nach einer Betriebsprüfung herausstellen sollte, dass die Forschungsgelder der Lohnsteuer unterliegen. Eine aktuelle Entscheidung des Finanzgerichts (FG) München zeigt erneut, dass Förderer sich darüber bewusst sein sollten, wie ihre Forschungsgelder steuerlich zu behandeln sind, um Haftungsrisiken zu vermeiden.
Wissenschaftler erhält Forschungsmittel
In dem Fall vor dem FG München ging es um einen Wissenschaftler, der bei der „Europäischen Organisation für astronomische Forschung in der südlichen Hemisphäre“ (ESO) in der Nähe von München im Rahmen eines Forschungsprojektes angestellt war. Finanziert wurde dieses Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die dem Wissenschaftler Forschungsgelder zur Verfügung stellte. Diese Forschungsgelder setzten sich zum einen aus Personal- und Sachmitteln für die Forschungsarbeiten des Wissenschaftlers und zum anderen aus einem monatlichen Unterhaltsgeld von rund 5.400 Euro zusammen. Im Gegenzug verpflichtete sich der Wissenschaftler, seine volle Arbeitszeit dem Projekt zu widmen und die Forschungsergebnisse nach Ende des Projektes zu publizieren.
Weder die ESO noch die DFG führten Lohnsteuer oder Sozialversicherungsbeiträge ab. Auch der Wissenschaftler selbst gab die erhaltenen Unterhaltsgelder nicht als steuerpflichtige Einkünfte in seiner Steuererklärung an, da er davon ausging, dass diese gemäß § 3 Nr. 44 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei seien.
Finanzamt: Unterhaltsgelder sind lohnsteuerpflichtig
Das Finanzamt war jedoch der Auffassung, dass die Unterhaltsgelder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darstellen und damit lohnsteuerpflichtig seien. Die monatlichen Unterhaltsgelder in Höhe von 5.400 Euro seien nicht steuerfrei, da diese den für die Sicherung des Lebensunterhalts notwendigen Betrag deutlich übersteigen würden. Es setzte daher gegenüber dem Wissenschaftler eine hohe Steuernachzahlung fest. Nachdem der Einspruch des Wissenschaftlers gegen die Nachzahlung erfolglos blieb, reichte er Klage beim FG München ein.
FG München: Unterhaltsgelder stellen sonstige Einkünfte dar
Das Gericht wies die Klage des Wissenschaftlers ab und stellte fest, dass die Unterhaltsgelder steuerpflichtig seien – allerdings nicht als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern als sonstige Einkünfte im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b EStG (Einkünfte aus Zuschüssen und sonstigen Vorteilen, die als wiederkehrende Bezüge gewährt werden).
Der Grund: Zwar war der Wissenschaftler formell bei der ESO angestellt, die Unterhaltsgelder erhielt er jedoch von der DFG. Die Auszahlungen der Unterhaltsgelder beruhten somit nicht auf dem Arbeitsverhältnis des Wissenschaftlers mit der ESO, sodass kein steuerpflichtiges Gehalt vorliege, so das Gericht. Stattdessen handle es sich bei den Unterhaltsgeldern um sonstige Einkünfte im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b EStG. Unter diese Vorschrift falle jeder regelmäßig wiederkehrende Zufluss, der mit einem Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verbunden sei und für die der Empfänger eine Gegenleistung erbringen müsse.
Das sei hier, so das Gericht, der Fall: Denn zum einen hätten die monatlichen Unterhaltsgelder die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Wissenschaftlers erhöht. Zum anderen war er als Gegenleistung für die Auszahlung der Gelder dazu verpflichtet gewesen, seine volle Arbeitszeit dem Projekt zu widmen und die Forschungsergebnisse nach Ende des Projektes zu publizieren.
Keine Steuerfreiheit der Unterhaltsgelder
Ferner bestätigte das Gericht die Auffassung des Finanzamts, wonach die Unterhaltsgelder nicht nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei seien. Nach dieser Vorschrift werden Stipendien von der Steuer befreit, wenn sie den für die Sicherung des Lebensunterhalts notwendigen Betrag nicht überschreiten. Überschreiten die Stipendienleistungen diesen Betrag, sind sie hingegen in voller Höhe steuerpflichtig. Mit anderen Worten: Das Stipendium darf nur den allgemeinen Lebensbedarf decken und nicht zu hoch ausfallen. Der genaue Betrag bestimmt sich dabei u.a. nach dem Alter des Stipendiaten, seiner Vorbildung und den typischen Lebenshaltungskosten vor Ort.
Nach diesen Kriterien seien die Unterhaltsgelder von 5.400 Euro monatlich zu hoch bemessen und damit steuerpflichtig, so das Gericht. Denn dieser Betrag gehe – selbst unter Berücksichtigung der hohen Lebenshaltungskosten im Landkreis München – über das hinaus, was für den allgemeinen Lebensbedarf notwendig sei.
Entscheidung mit mehreren Besonderheiten
Wir halten die Entscheidung des Gerichts für richtig. Es hat zu Recht entschieden, dass die Unterhaltsgelder nicht lohnsteuerpflichtig sind und stattdessen sonstige Einkünfte darstellen.
Der Fall ist von mehreren Besonderheiten gekennzeichnet:
- Zum einen besteht hier eine Dreieckskonstellation, da der Wissenschaftler zwar formell bei der ESO angestellt ist, seine Stelle aber effektiv von der DFG finanziert wird. Diese Konstellation hat dazu geführt, dass das Gericht die Unterhaltsgelder nicht als lohnsteuerpflichtig eingestuft hat.
- Zum anderen hat das Finanzamt die aus seiner Sicht offene Lohnsteuer direkt beim Wissenschaftler erhoben. In der Praxis kommt das selten vor: Unsere Erfahrung zeigt, dass sich die Finanzämter primär an die Arbeitgeber zur Begleichung der Lohnsteuerschuld wenden, obwohl gegenüber dem Finanzamt sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber gesamtschuldnerisch haften. Viele dieser Fälle werden nämlich erst nach einigen Jahren im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgedeckt. In der Zwischenzeit ist der ehemalige Angestellte jedoch häufig verzogen. Für das Finanzamt ist es dann einfacher, zunächst den Arbeitgeber in Anspruch zu nehmen.
Generell sollten Forschungsstipendien so ausgestaltet sein, dass kein lohnsteuerpflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. In den meisten Fällen liegt nämlich auch eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vor, sodass (unfreiwilligen) Arbeitgebern neben hohen Lohnsteuernachzahlungen zusätzlich noch hohe Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen drohen. Zudem schmälert eine Steuerpflicht die Attraktivität der Stipendien, da die Stipendiaten zusätzlich finanziell belastet werden.
Unsere Experten für Steuer- und Sozialversicherungsrecht überprüfen daher gerne, ob die geplante bzw. bisherige steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung des Stipendiaten rechtskonform erfolgt bzw. erfolgt ist und ergreifen bei Fehlern geeignete Gegenmaßnahmen, bevor die nächste Betriebsprüfung ansteht. Ebenfalls unterstützen wir sie gerne bei der Beantragung einer verbindlichen Auskunft und der Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens, um Haftungsrisiken gegenüber den Finanzbehörden und den Sozialversicherungsträgern präventiv zu vermeiden.
FG München, Urteil v. 23.03.2021 – 12 K 1085/20
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Wann unterliegen Stipendien der Einkommensteuer?
Hier wird klar ersichtlich, dass faires und präzises Steuerrecht
von erheblicher Bedeutung ist.
Dennoch sollte man beim Blick in die Details den anderen, den übergeordneten
Aspekt nicht vergessen : ob nämlich die Besteuerung in Deutschland für Otto Normalverbraucher
als insgesamt zu hoch angesehen werden muss. – Cum Ex sollte da allerdings kein Vorbild sein.
In diesem Zusammenhang die Erinnerung an eine urtümliche Besonderheit der
1960-er Jahre: Einkünfte aus Erfindervergütungen waren steuerfrei, so hörte ich.
So ergab sich ein Innovationsschub der besonderen Art. Warum eigentlich nicht ?