Die steuerliche Behandlung gemeinnütziger Fahrdienste (wie auch Rettungs- und Krankentransporte) ist in den letzten Jahren zum Spielball zwischen Finanzverwaltung und Gerichten geworden. Der BFH läutet nun eine neue Runde ein. Er erklärt Fahrdienste der Wohlfahrtsverbände und ihrer Mitglieder, bei denen hilfsbedürftige Personen transportiert werden, generell für umsatzsteuerfrei.
Ein Mitglied des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes verpflichtete sich gegenüber dem Jugend-, Arbeits- und Sozialamt sowie gegenüber verschiedenen gemeinnützigen Einrichtungen zur Durchführung von Fahrdiensten. Das Finanzamt unterwarf die Leistungen der Umsatzsteuer mit der Begründung, die Dienste würden weder unmittelbar gegenüber hilfsbedürftigen Personen erbracht noch würden Spezialfahrzeuge oder besonderes Begleitpersonal eingesetzt. Die Dienste dienten nach Auffassung der Finanzverwaltung daher nicht der Wohlfahrtspflege gemäß § 66 AO; eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG käme somit nicht in Betracht.
Der BFH sah es anders. Die von § 4 Nr. 18 UStG geforderte Unmittelbarkeit sei leistungsbezogen zu verstehen. Solange tatsächlich hilfsbedürftige Personen befördert werden, sei es gleich, an wen formalvertraglich die Leistungen erbracht werden. Das liegt auf einer Linie mit der Rechtsprechung zur Umsatzsteuerfreiheit bei den Leistungen im Rahmen des „Betreuten Wohnens“. Dass die Voraussetzungen des § 66 AO möglicherweise nicht erfüllt seien, hielt der BFH ebenfalls für unerheblich. Im Rahmen der leistungsbezogenen Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 18 UStG sei die Zweckbetriebseigenschaft – anders als z.B. bei § 12 Nr. 8 a UStG – vollkommen irrelevant. Mit letzterer Aussage stellt sich der BFH ausdrücklich gegen die von der Finanzverwaltung in Abschn. 4.18.1 Abs. 12 UStAE vertretene Auffassung, die die gemeinnützigkeitsrechtlichen Voraussetzungen für die Zweckbetriebseigenschaft von Fahrdiensten und Krankentransporten in das Umsatzsteuerrecht zu übertragen versucht.
Hinweis: Das Privileg der Wohlfahrtsverbände in § 4 Nr. 18 UstG steht auf der Kippe; die Europarechtskonformität der Vorschrift wird gerade vom EuGH geprüft (anhängig unter C-174/11), wobei einiges gegen ihre Vereinbarkeit mit dem Europarecht spricht. Sollte die Regelung eines Tages tatsächlich ersatzlos wegfallen, würde es eng werden für Fahrdienste im Auftrag Dritter. Dann bleibt nämlich nur die Umsatzsteuerbefreiung auf der Grundlage und im Einklang mit europäischen Vorgaben. Hierzu hat der BFH aber bereits entschieden, dass die Erbringung von Rettungstransporten an einen Notarzt (und nicht gegenüber den bedürftigen Personen) den europarechtlichen Anforderungen nicht genügt! Die Verbände und ihre Mitglieder sind daher insbesondere in diesem für sie wirtschaftlich bedeutenden Bereich gut beraten, frühzeitig aktiv zu werden und ihre Vertragsbeziehungen zu Dritten zu überprüfen und ggf. anzupassen.
BFH, Urteil v. 15.09.2011, Az. V R 16/11.