Seit dem Stauffer-Urteil gibt es für den EuGH kein Halten mehr. Nach und nach werden die nationalen Beschränkungen zugunsten inländischer Akteure bei der steuerlichen Gemeinnützigkeit aufgebrochen. In einem aktuellen Urteil hat der EuGH nun erbschafts- und schenkungssteuerliche Vergünstigungen als europarechtswidrig verworfen.
Alles begann mit der Entscheidung des EuGH in der Sache Stauffer (Rs. C-386/04), welche den deutschen Gesetzgeber dazu veranlasste, die formale Beschränkung der gemeinnützigen Privilegierungen auf im Inland ansässige Organisationen zu streichen. Es folgten die Anerkennung der Übungsleiterpauschale für Tätigkeiten bei einer ausländischen Einrichtung (Rs. C-281/06), der Steuerabzug für Spenden an ausländische Einrichtungen (Rs. C-318/07), der Abzug ausländischer Kirchensteuern (BMF-Schreiben) und zuletzt die Steuerfreiheit von durch ausländische gemeinnützige Organisationen gewährte Stipendien (BFH, X R 33/08).
Das aktuelle Urteil nimmt nun erbschafts- und schenkungssteuerrechtliche Privilegien bei Zuwendungen an gemeinnützige Einrichtungen ins Visier. Der EuGH erklärte eine belgische Regelung für europarechtswidrig, welche die begünstigte Erbschaftbesteuerung auf Vermächtnisse an Organisationen mit belgischem Geschäftssitz beschränkte. Der Gerichtshof macht dabei erneut seine Vorstellung von der nationalen Autonomie der Mitgliedstaaten in Sachen Gemeinnützigkeit deutlich: Grundsätzlich dürfen die Mitgliedsstaaten danach zwar selbst bestimmen, was gemeinnützigkeitsrechtlich förderungswürdig ist. Erfüllt eine ausländische Organisation jedoch diese Voraussetzungen, dürfen ihr steuerliche Privilegien nicht vorenthalten werden.
Hinweis: Im deutschen Recht sieht zwar § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG die Steuerfreiheit von Zuwendungen an ausländische gemeinnützige Körperschaften vor, sofern die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Im Lichte des aktuellen EuGH-Urteils dürfte die Bedingung der verbürgten Gegenseitigkeit – zumindest bei Zuwendungen in andere EU-Mitgliedsstaaten – allerdings unwirksam sein.
EuGH, Urteil v. 10.02.2011, Rs. C-25/10.