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Erbvertrag: Sportwagen gegen Erbverzicht

Jul 12, 17 • ErbrechtKeine Kommentare

Einen kuriosen Fall aus dem Erbrecht zwischen Vater und Sohn hatte Ende 2016 das Oberlandesgericht (OLG) Hamm zu entscheiden. Gegenstand des Falles war ein Vertrag, in welchem der Sohn im Zusammenhang mit einem allumfassenden Verzicht auf sein Erbe einen Sportwagen des Modells „Nissan GTR X“ hätte erhalten sollen. Diesen Sportwagen hatte sich der Vater schon selbst angeschafft (im Sommer 2013) und seinem damals fast 18-jährigen Sohn vorgeführt.

Erbverzicht als nützliches Gestaltungsmittel

So weit, so gewöhnlich. Denn bei einem Erbverzicht handelt es sich um ein legitimes Gestaltungsmittel zwischen dem Erblasser und seinen gesetzlichen Erben, bei dem der Erbe regelmäßig als Gegenleistung für den Verzicht eine Abfindung in Geld oder in Sachgütern erhält, wie z.B. in Form eines Sportwagens. Der Vertrag über den Erbverzicht ist ein Vertrag, der zu seiner Gültigkeit zwingend der Beurkundung durch einen Notar bedarf.

In der Praxis findet der Erbverzicht häufig Anwendung, wenn der Erblasser sein Vermögen auf nur einen Erben übertragen möchte, um es vor Zersplitterung zu bewahren. Die relevantesten Fälle hierzu spielen im Bereich der Unternehmensnachfolge. Die Folge eines solchen Erbverzichts ist weiterhin, dass der auf sein Erbe Verzichtende auch seinen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch verliert.

Erbrecht nicht bedingungsfeindlich

Das Besondere am Fall des OLG Hamm war nun, dass der Sohn die Abfindung, also den Sportwagen, nur dann hätte erhalten sollen, wenn er obendrein seine Ausbildung als Zahntechniker bis zu seinem 25. Lebensjahr und mit Bestnote abgeschlossen hätte. Das Stellen von derlei Bedingungen im Erbrecht ist grundsätzlich nichts Seltenes und wird von Erblassern gerne genutzt, um ihre Abkömmlinge zum Erreichen bestimmter Ziele zu motivieren.

Ungleichgewicht zwischen Erbverzicht und Abfindung

Das OLG bemängelte aber den stark einseitigen Charakter des konkreten Vertrags: Der Sohn sollte nämlich unbedingt und mit sofortiger Wirkung auf sein gesamtes Erbe verzichten. Den Sportwagen als „Abfindung“ hätte er allerdings nur und erst dann erhalten, wenn er die vom Vater gestellten, weiteren Bedingungen erfüllt hätte. Tatsächlich hätte der Vater in viel höherem Maße von der Vereinbarung profitiert als sein Sohn. Vor allem, wenn man zusätzlich bedenkt, dass selbst dann, wenn der Sohn die Bedingungen erfüllt hätte, der versprochene Sportwagen bis dahin erheblich an Wert verloren hätte. Sein Wert hätte dann in keinem Verhältnis zur Höhe des Pflichtteilsanspruchs gestanden, der sich nach dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bestimmt.

Absichten des Erblassers nicht selbstlos

Das auch in vergleichbaren Fällen wohl gern genutzte Argument des Vaters, er habe diesen Vertrag geschlossen, um seinen Sohn zum Abschluss einer vielversprechenden Ausbildung zu bewegen, konnte die Richter nicht überzeugen. Sie führten an, dass der Vater den Wagen genauso gut bei Erfüllung der genannten Bedingungen hätte schenken können, wenn es ihm nur um das Wohl und die Zukunft seines Sohnes gegangen wäre. Ein Erbverzichtsvertrag wäre dafür nicht erforderlich gewesen.

Gericht erkannte Sittenwidrigkeit

Das Gericht stufte das Verhalten des Vaters, seinen rechtsgeschäftlich unerfahrenen Sohn mit dem in Aussicht gestellten Sportwagen sozusagen zur umfassenden Aufgabe seines Erbes zu locken, als sittenwidrig ein. Davon zeuge auch der Zeitpunkt der Vertragsvereinbarung. Das Gericht warf dem Vater nämlich vor, mit der notariellen Beurkundung bewusst bis zum 18. Geburtstag des Sohnes gewartet zu haben. Erstens um dadurch die Illusion eines Geburtstagsgeschenkes zu erzeugen und zweitens weil seine Mutter im konkreten Fall der Vereinbarung niemals zugestimmt hätte.

Zudem schränkten die gestellten Bedingungen den Betroffenen immens in dessen freier Berufswahl ein, da er bei einem Abbruch seiner Ausbildung sofort seinen Anspruch auf den versprochenen Sportwagen verloren hätte. Eine Gesamtwürdigung der Umstände führte das OLG Hamm zum Urteil der Sittenwidrigkeit und damit der Nichtigkeit des Erbverzichtsvertrags.

Unsere erfahrenen Anwälte sind Ihnen gerne bei der rechtssicheren Gestaltung von Erbverträgen behilflich und beantworten all Ihre Fragen rund um das Erbrecht.

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Thomas Schwab

Rechtsanwalt Thomas Schwab ist für WINHELLER überwiegend im Bereich des allgemeinen Zivil- und Vertragsrechts, des Gesellschaftsrechts, des Handelsrechts, des Erbrechts und des internationalen Wirtschaftsrechts tätig.

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