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Der Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Gebäuden – Aktuelles EuGH-Urteil

Kaum ein anderes umsatzsteuerliches Thema für Nonprofit-Organisationen war in den letzten Jahren einem so starken Wandel unterworfen wie der Vorsteuerabzug bei gemischtgenutzten Gegenständen, d.h. bei Verwendung eines Wirtschaftsgutes sowohl für den gemeinnützigen Zweck als auch für das erwerbswirtschaftliche Handeln im Rahmen eines Geschäftsbetriebs. Zur gemischten Nutzung eines Gebäudes hat sich nun der EuGH geäußert (zur Vorlage durch den BFH siehe HIER).

Wann wird das Thema „Vorsteuerabzug bei gemischter Nutzung von Gebäuden“ relevant?

Ein erwerbswirtschaftlich-unternehmerisch genutztes Gebäude berechtigt zum Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs-/Herstellungskosten, ein ideell-gemeinnützig genutztes Gebäude nicht. Die Realität sieht freilich nicht immer so einfach aus. Krankeneinrichtungen machen auch Wellness-Angebote, in Schwimmhallen werden Aquafitness-Kurse angeboten (vgl. aktuell FG Münster, Urteil v. 24.10.2012, Az. 10 K 630/11 K), Sporthallen werden an Wochenenden für Familienfeiern zur Verfügung gestellt – stets mit dem gleichen erwerbswirtschaftlichen Zweck: die Kasse der NPO etwas aufzubessern. Dieses erwerbswirtschaftliche Handeln ist dann zwar ertrag- und umsatzsteuerpflichtig, berechtigt aber umgekehrt regelmäßig auch zum Vorsteuerabzug. Vergegenwärtigt man sich die Kosten einer entsprechenden Gebäudeanlage, wird die finanzielle Tragweite schnell deutlich (vgl. hierzu Winheller, Wohlfahrt intern 11/2011, S. 48 ff.).

Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug: Unternehmerische und umsatzsteuerpflichtige Nutzung

Damit ein Vorsteuerabzug in Frage kommt, muss die wirtschaftlich-unternehmerische Nutzung allerdings mindestens 10% erreichen. Spätestens in der Umsatzsteuerjahreserklärung des Folgejahres muss das Gebäude außerdem der unternehmerischen Sphäre zugeordnet werden. Erhöht sich der Anteil der unternehmerischen Nutzung später, darf innerhalb der nächsten 10 Jahre die Vorsteuer berichtigt werden, aber eben nur, wenn das Gebäude zunächst entsprechend dem Unternehmensbereich zugeordnet wurde. Sinkt hingegen der Anteil der unternehmerischen Nutzung später, ist die zusätzliche gemeinnützige Verwendung als unentgeltliche Wertabgabe nachzuversteuern.

Aus der unternehmerischen Nutzung allein folgt aber noch nicht automatisch der Vorsteuerabzug. Unwägbarkeiten drohen z.B. im Fall der Umsatzsteuerfreiheit einzelner Ausgangsleistungen der NPO. Denn mit der Umsatzsteuerfreiheit entfällt auch das Recht zum Vorsteuerabzug. Tückisch: Gelegentlich sorgt auch die Rechtsprechung dafür, dass bisher umsatzsteuerpflichtige Leistungen plötzlich umsatzsteuerfrei zu behandeln sind. Vor allem der EuGH prüft regelmäßig die deutschen umsatzsteuerlichen Befreiungsvorschriften und erweitert nicht selten deren Anwendungsbereich. Der Steuerpflichtige ist daher gut beraten, die aktuelle EuGH-Rechtsprechung im Blick zu behalten, um zu vermeiden, dass ihm plötzlich – ohne jedwede Gesetzesänderung – der Vorsteuerabzug versagt wird.

Anteil und Höhe des Vorsteuerabzugs bei Gebäuden

Ist geklärt, welche der im Gebäude ausgeführten Leistungen zum Vorsteuerabzug berechtigen und welche nicht, bleibt die Frage nach der Berechnung des konkreten Nutzungsanteils und damit der Höhe des Abzugs zu klären. Gesetzgeber und Finanzverwaltung wollten insoweit bislang vorrangig den Flächenschlüssel (Verhältnis der unternehmerisch genutzten zur ideell genutzten Fläche) statt des Umsatzschlüssels (Verhältnis der Umsätze aus den jeweiligen Bereichen) anwenden. Der EuGH hat dies nun bestätigt, aber nur unter der Voraussetzung, dass der Flächenschlüssel auch tatsächlich zu „präziseren“ Ergebnissen führt. Diese Einschränkung ist wohl auch der Finanzverwaltung nicht entgangen. Seit 01.01.2013 stellt das BMF im UStAE die Anwendung des Flächenschlüssels nämlich unter den Vorbehalt, dass dieser auch zu „sachgerechten“ Ergebnissen führt.

Hinweis: Eine Aufteilung der Vorsteuer nach der genutzten Fläche wird für NPOs häufig ungünstiger sein als ein Vorsteuerabzug nach dem Verhältnis der erzielten Umsätze: Der Wellness-Bereich oder der Museumsshop benötigen im Vergleich zur übrigen ideellen Nutzung wenig Fläche, generieren aber wesentlich mehr Umsatz! Da die Anwendung des Flächenschlüssels in diesen Fällen also gerade nicht zu präzisen, sachgerechten Ergebnissen führt, dürfte eine Anwendung des günstigeren Umsatzschlüssels regelmäßig zulässig sein.

EuGH, Urteil v. 08.11.2012, Rs. C‑511/10
BMF, Schreiben v. 17.12.2012, Az. IV D 3 – S 7015/12/10001.

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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