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Cannabisanbauvereinigungen: Keine Gemeinnützigkeit trotz gesellschaftlicher Relevanz

Cannabisanbauvereinigungen: Keine Gemeinnützigkeit trotz gesellschaftlicher Relevanz

Das am 01.04.2024 in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz (KCanG) hat die rechtliche Landschaft in Deutschland verändert und neue Fragen aufgeworfen. Eine zentrale Frage betrifft die steuerliche Behandlung von Cannabisanbauvereinigungen, auch bekannt als Cannabis Social Clubs. Trotz ihrer potenziellen gesellschaftlichen Bedeutung hat das Finanzministerium Schleswig-Holstein klargestellt: Diese Vereinigungen können nicht als gemeinnützige Körperschaften anerkannt werden. Dem hat sich derweil auch die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main angeschlossen. In diesem Beitrag beleuchten wir die Hintergründe dieser Einordnung und ihre Auswirkungen auf die Praxis.

Rechtlicher Rahmen der Cannabisanbauvereinigungen

Das KCanG ermöglicht den gemeinschaftlichen Eigenanbau und die kontrollierte Weitergabe von Cannabis in Anbauvereinigungen. Diese müssen als eingetragene nicht wirtschaftliche Vereine oder eingetragene Genossenschaften organisiert sein und benötigen eine behördliche Erlaubnis für ihre Tätigkeit.

Kernargumente gegen die Gemeinnützigkeit: Mangelnde Selbstlosigkeit

Der Hauptgrund für die Ablehnung der Gemeinnützigkeit liegt in der fehlenden Selbstlosigkeit der Anbauvereinigungen. Nach § 55 Abs. 1 AO dürfen gemeinnützige Organisationen nicht vorrangig eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgen. Die gesetzliche Verpflichtung der Cannabisclubs, ihre Produkte ausschließlich an Mitglieder abzugeben, widerspricht diesem Grundsatz.

Weitere Gründe: Verstoß gegen das Zuwendungsverbot – keine gemeinnützige Zweckverfolgung

Die Weitergabe von Cannabis an Mitglieder verstößt gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO, wonach Mitglieder keine Zuwendungen von der steuerbegünstigten Körperschaft erhalten dürfen. Selbst wenn man die Mitgliedsbeiträge als „unechte Mitgliedsbeiträge“ einstufen würde, ergäbe sich daraus ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, der gegen das Ausschließlichkeitsgebot verstoßen würde.

Obwohl theoretisch denkbar wäre, dass Anbauvereinigungen gemeinnützige Zwecke wie die Förderung der Wissenschaft, der Gesundheitspflege oder der Bildung verfolgen könnten, scheitert dies in der Praxis an der gesetzlich festgelegten Haupttätigkeit der Vereine.

Praktische Konsequenzen: Finanzierung und Besteuerung

Die Entscheidung des Finanzministeriums Schleswig-Holstein, Cannabisanbauvereinigungen die Gemeinnützigkeit zu versagen, hat weitreichende Folgen für die Besteuerung und finanzielle Struktur dieser Organisationen. Trotz der gesellschaftlichen Relevanz des kontrollierten Cannabisanbaus und -konsums überwiegen die steuerrechtlichen Bedenken.

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Für die Praxis bedeutet dies, dass Cannabis Social Clubs ihre Finanzierung und steuerliche Planung sorgfältig überdenken müssen. Sie werden wie gewöhnliche wirtschaftliche Vereine oder Genossenschaften besteuert, was ihre Kostenstruktur und Preisgestaltung beeinflussen wird.

Unseres Erachtens ist insbesondere davon auszugehen, dass auch Mitgliedsbeiträge, die von den Cannabis Social Clubs erhoben werden, vollständig – oder nahezu vollständig – der Umsatzsteuer unterfallen dürften. Bei diesen Mitgliedsbeiträgen dürfte es sich nämlich überwiegend um sog. unechte Mitgliedsbeiträge handeln, also Beiträge die in Erwartung einer konkreten Gegenleistung (hier in Form der Abgabe von Cannabis) gezahlt werden. Das klassische soziale Vereinsleben dürfte dagegen erheblich oder vollständig in den Hintergrund treten, sodass kaum bzw. kein Raum mehr für die Qualifikation als gewöhnliche Mitgliedsbeiträge verbleibt.

Cannabis Social Clubs sind Idealvereine

Obwohl sich die Cannabis Social Clubs damit umsatzsteuerlich in einem Leistungsaustausch befinden und als Unternehmer zu qualifizieren sind, handelt es sich vereinsrechtlich dennoch um sog. Idealvereine und nicht um sog. wirtschaftliche Vereine. An einer wirtschaftlichen Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht fehlt es den Cannabis Social Clubs nämlich – genauer gesagt: das Konsumcannabisgesetz ordnet das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht de facto an.

Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber in Zukunft Anpassungen vornehmen wird, um den besonderen Charakter dieser Vereinigungen zu berücksichtigen. Bis dahin müssen Cannabisanbauvereinigungen ihre Aktivitäten im Rahmen der bestehenden steuerrechtlichen Vorschriften gestalten.

Ganz klar von den Cannabis Social Clubs abzugrenzen sind hingegen Vereine und sonstige Organisationen, die im Bereich der Cannabisaufklärung, der Forschung oder der Suchtprävention tätig sind. Solche Aktivitäten können selbstverständlich auch weiterhin gemeinnützig ausgestaltet werden.

Umfassende Beratung im Gemeinnützigkeitsrecht

Die Experten unseres NPO-Teams stehen Ihnen gerne zur Verfügung, um diese und weitere Fragen rund um die Gemeinnützigkeit und die rechtssichere Gestaltung Ihrer Aktivitäten zu beantworten. Zögern Sie nicht, uns für eine individuelle Beratung zu kontaktieren.

Weiterlesen:
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Umsatzsteuer bei gemeinnützigen Organisationen

Elmar Krüsmann

Rechtsanwalt Elmar Krüsmann ist auf die Beratung von Nonprofit-Organisationen, Stiftungen sowie vermögenden Privatpersonen spezialisiert. Oftmals ist er dabei auch mit grenzüberschreitendem Bezug tätig.

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