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Bürokratieabbau bei Genossenschaften „ja“, wirtschaftlicher Verein „nein“

Der Bundestag hat entschieden: Das „Gesetz zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften“ ist nun beschlossene Sache. Die Neuregelung zum wirtschaftlichen Verein ist unter dem Eindruck der aktuellen BGH-Rechtsprechung in Sachen Kita-Vereine allerdings entfallen.

Erleichterungen für kleine Genossenschaften

Neben einzelnen Anpassungen, die auch dazu dienen, die Genossenschaft an die Zeiten des Internets anzupassen, hat der Gesetzgeber insbesondere Erleichterungen bei der genossenschaftlichen Pflichtprüfung beschlossen. So steigt die Grenze zur umfangreichen Prüfung des Jahresabschlusses unter Einbeziehung der Buchführung und des Lageberichts hinsichtlich der Bilanzsumme von einer auf 1,5 Millionen Euro bzw. von 2 auf 3 Millionen Euro an Umsatzerlösen. Noch wesentlich entlastender soll die neu eingeführte „vereinfachte Prüfung“ sein, in deren Rahmen jede zweite Prüfung lediglich aus der Durchsicht relevanter Unterlagen besteht.

Eine umfassende Prüfung steht somit nur noch alle zwei Jahre an. In den Genuss dieser Vereinfachung kommen Genossenschaften mit einer Bilanzsumme von maximal 350.000 Euro und jährlichen Umsatzerlösen von bis zu 700.000 Euro (wobei eine der Grenzen überschritten werden kann, solange maximal zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden), die darüber hinaus keine Mitgliederdarlehen entgegennehmen dürfen und deren Satzung eine Nachschusspflicht der Genossen ausschließt.

Zulässigkeit von Mitgliederdarlehen

Hinsichtlich der Entgegennahme von Darlehen der Mitglieder an die Genossenschaft herrschte in letzter Zeit viel Aufregung, seitdem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) entsprechende Darlehen als erlaubnispflichtig nach dem Kreditwesengesetz (KWG) eingestuft hatte. Die neue gesetzliche Regelung erlaubt solche Darlehen nun explizit auch ohne bestehende Erlaubnis nach dem KWG unter bestimmten Bedingungen. Insbesondere darf die gesamte Darlehenssumme je Mitglied nicht mehr als 25.000 Euro betragen und der jährliche Zinssatz 1,5 Prozent nicht übersteigen.

Weisungsabhängigkeit des Vorstands

Anders als noch im Referentenentwurf vorgesehen, enthält das Gesetz keine umfassende Weisungsabhängigkeit des Vorstands von einzelnen Beschlüssen der Generalversammlung. Lediglich bei Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern ist es möglich, eine entsprechende Weisungsbefugnis in der Satzung zu vereinbaren. Bestehende Genossenschaften müssen also ggf. ihre Satzung ändern, Neugründungen einen entsprechenden Passus direkt berücksichtigen.

Wirtschaftlicher Verein bleibt subsidiär

Ganz wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs war die Reform des wirtschaftlichen Vereins, dessen Zulässigkeit bundesweit äußerst unterschiedlich gehandhabt wird und der – so der Gesetzentwurf – bundeseinheitlich durch eine Ministeriumsverordnung geregelt werden sollte.

Nachdem nun der BGH in kurzer zeitlicher Abfolge mehrfach entschieden hat, dass wirtschaftliche Betätigungen zumindest bei gemeinnützigen Vereinen unter das sog. Nebenzweckprivileg fallen und damit in der Rechtsform des eingetragenen Vereins („Idealverein“) erfolgen können, hielt der Rechtsausschuss die Neuregelung zum wirtschaftlichen Verein für obsolet und hat dem Bundestag entsprechend die Streichung der Reform empfohlen.

Umfassende Vereinsrechtsreform weiterhin überfällig

Die Erleichterungen im Genossenschaftsrecht dürften für viele kleinere Genossenschaften positiv sein. Insbesondere die Zulässigkeit von Mitgliederdarlehen sorgt nun für Rechtssicherheit angesichts entgegenstehender BaFin-Entscheidungen. Die Nichtregelung des wirtschaftlichen Vereins hingegen sorgt für Unmut: Es ist noch längst nicht geklärt, welche Auswirkung die BGH-Entscheidungen zu den Kita-Vereinen auf nicht-gemeinnützige Vereine wie etwa Dorfläden hat. Gerade diese sollten im wirtschaftlichen Verein eine geeignete Rechtsform finden, dessen Zulässigkeit derzeit jedoch abhängig vom Bundesland ist und der nur in wenigen Ländern (v.a. Rheinland-Pfalz) tatsächlich zum Einsatz kommt.

Auch für große Sportvereine mit Profiabteilungen ist die Rechtslage weiterhin unklar. Einerseits ist fraglich, ob sie wegen ihrer typischerweise großen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe überhaupt gemeinnützig sind. In vereinsrechtlicher Hinsicht ist andererseits unklar, ob und wie die Profiabteilung dem ideellen Zweck der Förderung des Amateur- und Jugendsports dient. Eine umfassende Vereinsrechtsreform ist daher weiterhin überfällig.

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucksache 18/12998

Weiterlesen:
Gesetzesentwurf zur Reform des Genossenschafts- und Vereinsrechts im Bundestag
In welchen Branchen ist die Rechtsform der Genossenschaft sinnvoll?

Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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