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Automatischer Entzug der Gemeinnützigkeit bei Erwähnung im Verfassungsschutzbericht?

Der BFH hat kürzlich bestätigt, dass die bloße Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht für sich genommen noch nicht zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen darf. Anders kann es sein, wenn die Körperschaft im Verfassungsschutzbericht ausdrücklich als extremistisch benannt wird.

Ein Verfassungsschutzbericht führte 2008 den klagenden islamisch-salafistischen Verein wegen dessen Verbreitung von salafistischem Gedankengut auf, ohne dem Verein jedoch extremistische Bestrebungen vorzuwerfen. Das genügt dem BFH zufolge noch nicht, um einen Verstoß gegen grundgesetzliche Wertentscheidungen nachzuweisen und die Gemeinnützigkeit zu entziehen: Wird eine Vereinigung nur als Verdachtsfall oder sonst beiläufig in einem Verfassungsschutzbericht erwähnt, ist es zunächst einmal Sache des Finanzamts, weiter zu ermitteln und Beweise beizubringen – und nicht der Körperschaft, die Einordnung als extremistische Organisation zu widerlegen.

Dies ändert sich jedoch, wenn die Organisation im Verfassungsschutzbericht tatsächlich ausdrücklich als extremistisch benannt wird. Nach bisheriger Rechtslage kann das Finanzamt dann die steuerliche Gemeinnützigkeit verweigern, es sei denn, die Organisation beweist, dass ihr zu Unrecht extremistische Bestrebungen vorgeworfen werden. Diese Regelung ist ab dem 01.01.2009 anwendbar, wobei der BFH Zweifel hegt, ob die Neufassung rückwirkend auch für Veranlagungszeiträume vor 2009 gelten kann, wenn die Steuerfestsetzung insoweit noch offen ist (so aber die Finanzverwaltung, vgl. AEAO zu § 51 in Nr. 10).

Den bisher möglichen Entlastungsbeweis will der Gesetzgeber gemeinnützigen Körperschaften nach aktuellen Planungen im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 nehmen. Die Benennung als extremistische Organisation würde dann unausweichlich zur Aberkennung der steuerlichen Gemeinnützigkeit führen. Im Ergebnis entschiede der Verfassungsschutz damit unmittelbar über den steuerbegünstigten Status.

Hinweis: Betroffene Organisationen müssten dann, ggf. im Eilrechtsschutz, unmittelbar gegen die entsprechenden Ausführungen in den Verfassungsschutzberichten vorgehen. Hierfür sind die Verwaltungsgerichte zuständig. Vorteil der geplanten Neuregelung wäre sicherlich, dass die Körperschaft auf eine einheitliche Gerichtsbarkeit verwiesen würde und sich nicht an zwei Fronten (Verwaltungsgerichte und Finanzgerichte) verteidigen muss. Andererseits dürfte es äußerst bedenklich sein, den Status als gemeinnützig allein in die Hände des Verfassungsschutzes zu legen, ohne – abgesehen vom Gang vor die Gerichte – eine die Gemeinnützigkeit bewahrende Entlastungsmöglichkeit vorzusehen. Unabhängig von den jüngsten Berichten zur Arbeit des Verfassungsschutzes, die schon für sich genommen nichts Gutes erahnen lassen, bedeutete ein solcher Automatismus, dass sich die vormals gemeinnützige Körperschaft gezwungen sähe, gegen ihre Nennung in sämtlichen Verfassungsschutzberichten vorzugehen, um die Gemeinnützigkeit nicht zu verlieren. Ein Spießrutenlauf wäre die Folge. Stimmen sich die Verfassungsschutzbehörden zudem intern vernünftig ab und veröffentlichen sie ihre Berichte z.B. zeitlich nacheinander, würde es ihnen so ohne weiteres gelingen, unliebsame Körperschaften mit ein paar wenigen Federstrichen für mehrere Monate oder Jahre aus der Gemeinnützigkeit zu drängen und damit im Zweifel existentiell zu gefährden.

Angesichts der möglichen Probleme der geplanten Neuregelung ist für Ende des dritten Quartals eine Sachverständigenanhörung geplant. Ob es bei der geplanten Änderung bleibt oder ob doch noch alles anders kommt, als man denkt, ist daher aktuell noch nicht absehbar.

BFH, Urteil v. 11.04.2012, Az. I R 11/11.

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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