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Attac vor Entzug der Gemeinnützigkeit: BFH schränkt politische Meinungsbildung durch NPOs ein

Mikrofon auf Bühne

Das BFH-Urteil hat weitreichende Folgen für viele NPOs.

Schon seit 2014 beschäftigt sich das Frankfurter Finanzamt mit der Steuerbegünstigung des Vereins Attac. Am 10.11.2016 hatte das Hessische Finanzgericht (FG) noch zugunsten des Vereins entschieden. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dieses Urteil nun aufgehoben und seine Entscheidung bekannt gegeben, wonach die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung keinen gemeinnützigen Zweck erfülle. Attac droht damit endgültig der Entzug der Gemeinnützigkeit.

Weitreichende Auswirkungen für NPOs

Der BFH zieht die Grenze damit deutlich enger als bisher. Vor einer endgültigen Entscheidung über die Gemeinnützigkeit von Attac muss das FG allerdings noch einmal den Sachverhalt nachermitteln und klären, ob die beanstandeten Aktivitäten tatsächlich Attac selbst oder Aktivisten im Umfeld des Vereins zuzuordnen sind.

Die Entscheidung des BFH hat dennoch schon jetzt weitreichende Auswirkungen: In dieser Allgemeinheit wären eine Vielzahl von Organisationen (unabhängig vom Inhalt ihrer Forderungen – wie der BFH betont) vom Verlust der Gemeinnützigkeit bedroht.

Politisches Wirken im Zusammenhang mit gemeinnützigen Zwecken zulässig

Die Entscheidung ist allerdings mitnichten so zu bewerten, dass eine rechtssichere Beteiligung am politischen Diskurs nur noch als Partei möglich ist. Bei vielen Akteuren dürfte sich die politische Betätigung hinreichend mit den eigenen Satzungszwecken verknüpfen lassen. Insbesondere schränkt der BFH den Umfang der politischen Betätigung im Zusammenhang mit gemeinnützigen Zwecken nicht ein.

Entscheidend ist, ob die politischen Aktivitäten zur Verwirklichung eines gemeinnützigen Zwecks dienen oder nicht. Der BFH hat insoweit zwar ausgeschlossen, dass eine allgemeine politische Betätigung etwa der Volksbildung dient. Betroffene Organisationen sind trotzdem nicht unbedingt wehrlos: Solange sie einen konkreten gemeinnützigen Satzungszweck verfolgen, können sie darlegen, dass sie die nun vom BFH gezogenen Grenzen im konkreten Einzelfall nicht überschreiten.

Video: Wie viel politische Betätigung ist erlaubt?

Gesetzgeber müsste allgemeinpolitische Aktivitäten zulassen

Politisch ist das Urteil dennoch ein schwerer Schlag ins Kontor der Zivilgesellschaft: Aufgrund der Grenzziehung des BFH existiert nun eine steuerlich nicht geförderte Lücke zwischen zweckspezifischen politischen Aktivitäten und der politischen Arbeit von Parteien. Die Entscheidung ist insoweit durchaus kritisch zu sehen, denn durch die Abgrenzung zwischen Parteien und gemeinnützigen Organisationen soll lediglich eine doppelte steuerliche Privilegierung von Parteipolitik verhindert werden.

Ob eine solche vorliegt, wenn keine Ambitionen zur Wahl in Parlamente verfolgt werden, ist zweifelhaft. Aus diesem Grund ist die Forderung laut geworden, der Gesetzgeber müsse Konsequenzen aus dem Attac-Urteil ziehen und sich klar positionieren, ob Organisationen wie Attac steuerlich begünstigt an der politischen Meinungsbildung teilnehmen können. Der BFH jedenfalls hat die Chance vertan, mit etwas Augenmaß bereits das geltende Recht zugunsten politischer Aktivisten auszulegen.

NPOs sollten ihre Aktivitäten überprüfen

Allen Organisationen, die an der politischen Willensbildung mitwirken, ist aktuell dringend zu raten, die eigenen Aktivitäten auf ihre Vereinbarkeit mit den Grenzen der BFH-Entscheidung zu überprüfen und ggf. gegenzusteuern. Unsere auf Gemeinnützigkeitsrecht spezialisierten Anwälte beraten Sie hierzu gerne. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

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Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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2 Antworten zu "Attac vor Entzug der Gemeinnützigkeit: BFH schränkt politische Meinungsbildung durch NPOs ein"

  1. Willy sagt:

    Guten Tag,
    ich habe als Vorsitzende nach über 20 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit nur noch gehört, dass ich selbstverständlich auch alle Kosten selbst tragen könne und die Aufwendungen für den Verein auch privat gezahlt werden müsste. Meine Arbeit wurde nicht bezahlt, sondern meine zusätzlichen Aufwendungen über einige Jahre. Der Verein hat auf die Erstattung der Gelder verzichtet und die Ansprüche stammen aus 2006 und 2007. Jetzt überlegt aber der inzwischen eingesetzte Insolvenzverwalter, ob er noch einmal gegen mich klagt.
    Die ehrenamtliche Arbeit hat mir immer, trotz 60 Stunden pro Woche Freude gemacht und Menschen in Not geholfen, aber nun habe ich es einfach satt, was dieser angebliche Rechtsstaat mit den Bedürfnissen der Menschen in Not macht. Das Urteil des BFH ist für mich ein politisch gewolltes Urteil und passt nicht zu unseren Grundrechten

  2. Hannelore Mai sagt:

    Durch den Entzug der Gemeinnützigkeit wird der politisch mündige Bürger, der weder eine Partei noch einen Politiker unterstützt, mundtot gemacht. Seine Rechte, sich für das Wohl der Menschen,
    der Tiere und der Umwelt einzusetzen und die von Politikern versäumten Pflichten für das Wohl
    des Menschen anzuprangern. Ein Einzelner kann nichts ausrichten. Deshalb brauchen wir Nonprofit-Organisationen, um unseren Forderungen Gewicht zu verschaffen. Diese von der BFH verhängte
    Entscheidung entspricht durchaus einer Abschaffung der Gewerkschaften.
    Mundtot machen kennen wir doch schon zur Genüge – sh. Türkei, arabische Diktaturen,
    asiatische Diktaturen und und und ….

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