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Attac doch gemeinnützig

Im aufsehenerregenden Verfahren um den Gemeinnützigkeitsstatus von Attac hat das Hessische Finanzgericht (FG) zu Gunsten des Vereins entschieden. Nach Auffassung des FG gehört auch politisches Engagement zur gemeinnützigen Arbeit, sodass der Entzug der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt Frankfurt nicht rechtmäßig war.

Attac bleibt gemeinnützig

Attac hat vor dem Hessischen Finanzgericht einen wichtigen Sieg im Kampf um seinen Gemeinnützigkeitsstatus errungen. Nach Ansicht des Gerichts ist gemeinnützigen Körperschaften eine politische Tätigkeit nicht per se verboten. Insbesondere die Vereinszwecke der Förderung der Bildung und des demokratischen Staatswesens seien weit zu verstehen. Die politische Tätigkeit von Attac sei außerdem nur ein Teil eines umfassenden, gemeinnützigen Informationsangebotes des Vereins gewesen, sodass Attac die Schwelle zur unzulässigen überwiegenden politischen Betätigung nicht überschritten habe. Darüber hinaus erfülle die Satzung des Vereins alle formellen Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts.

Spendenbescheinigungen ausstellen ohne Gemeinnützigkeitsstatus

Für gemeinnützige Organisationen, denen – wie Attac – die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, stellt sich in der Regel nicht nur die Frage, wie sie ihre Gemeinnützigkeit wiedererlagen können. Häufig von existenzieller Bedeutung ist auch die Folgefrage, ob sie weiterhin Spendenbestätigungen ausstellen dürfen. Nach dem Entzug der Gemeinnützigkeit ist das an sich unzulässig, selbst dann, wenn sich die gemeinnützige Organisation gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit gerichtlich zur Wehr setzt. Da solche gerichtlichen Verfahren sehr lange dauern können, muss eine Körperschaft daher möglicherweise für mehrere Jahre auf für sie wichtige Spendeneinnahmen verzichten.

Einstweiliger Rechtsschutz möglich

Für viele gemeinnützige Körperschaften ist dies natürlich kein zufriedenstellender Zustand. In diesem Fall bietet es sich an, einen Antrag nach § 60a Abgabenordnung (AO) auf Erlass eines Feststellungsbescheids zu stellen. Nach Zurückweisung desselben durch das Finanzamt kann man im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gerichtlich gegen das Finanzamt vorgehen. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren ist allerdings tückisch und unterliegt sehr strengen Voraussetzungen. Die gemeinnützige Körperschaft muss belegen, dass der Entzug der Gemeinnützigkeit rechtswidrig war. Darüber hinaus muss der Antragsteller glaubhaft machen, auf den Erhalt steuerbegünstigter Spenden zwingend angewiesen zu sein und dass seine wirtschaftliche Existenz mangels Spendeneinnahmen bedroht ist.

Video: Wie viel politische Betätigung ist erlaubt?

Nur Einzellfallentscheidung

Bisher hat das FG über den Fall Attac nur in Form einer Pressemitteilung berichtet. Sobald die vollständige Urteilsbegründung vorliegt, werden wir die Angelegenheit erneut aufgreifen. In jedem Fall freuen wir uns über das Ergebnis und die Begründung, die zum großen Teil unserer Argumentation im Einspruchsverfahren folgt. Wie das FG Kassel jedoch auch klarstellte, lasse sich der Entscheidung keine allgemeine Erlaubnis für alle gemeinnützigen Körperschaften entnehmen, sich umfassend und ohne Bezug zu den eigentlichen gemeinnützigen Zwecken politisch zu betätigen. Das FG betont ausdrücklich, dass es sich bei dem Urteil um eine Einzelfallentscheidung für die Jahre 2010-2012 handelt. Das Gericht hat auch die Revision zum BFH nicht zugelassen, sodass der „Fall Attac“ vor dem höchsten deutschen Finanzgericht nicht verhandelt werden wird, wenn die Finanzverwaltung nicht doch noch eine sog. Nichtzulassungsbeschwerde erhebt, um so den Weg zum BFH zu erzwingen.

In anderer Sache steht allerdings noch eine Entscheidung des BFH aus: Das Verfahren des BUND Landesverband Hamburg, der sich mit dem Finanzamt über die korrekte Verwendung von Spendengeldern streitet, die für die Unterstützung eines Volksbegehrens gedacht waren, ist beim BFH unter dem Aktenzeichen X R 13/15 anhängig. Man darf gespannt sein, was dieses Verfahren für weitere Erkenntnisse bringen wird.

Wichtig: Satzungszwecke überprüfen

Gemeinnützigen Organisationen ist jedenfalls weiterhin zu raten, ihre politische Betätigung kritisch vor dem Hintergrund ihrer gemeinnützigen Satzungszwecke zu prüfen, d.h. politische Betätigungen zu vermeiden, die keinerlei Bezug zu ihren eigentlichen gemeinnützigen Zwecken aufweisen. Gerne sind Ihnen unsere spezialisierten Anwälte bei der Überprüfung behilflich.

Pressemeldung des FG Kassel vom 10.11.2016
Bericht der Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung

Weiterlesen:
Die Bundesregierung zur politischen Betätigung gemeinnütziger Körperschaften
Aberkennung der Gemeinnützigkeit: Folgeprobleme

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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2 Antworten zu "Attac doch gemeinnützig"

  1. Sehr geehrter Herr Streng,

    vielen Dank für Ihre Teilnahme und die positive Rückmeldung.

    Wenngleich ich im Rahmen des Webinars und auch jetzt im Nachgang keine verbindlichen Auskünfte geben kann, möchte ich im Folgenden noch kurz und allgemein gehalten auf Ihre Fragen eingehen, soweit dies ohne Kenntnis der Einzelheiten möglich ist:

    1. Kann eine Ehrenamtspauschale an nicht Vorstandsmitglieder ohne explizite Satzungsnennung genannt werden?
    Die Satzung muss lediglich eine Regelung enthalten, wenn Vorstandsmitglieder eine Vergütung erhalten (auch wenn es sich hierbei „nur“ um die Ehrenamtspauschale handelt). Nicht-Vorstandsmitglieder können auch ohne Satzungsregelung die Ehrenamtspauschale erhalten.

    2. Muss die Zahlung der Übungsleiterpauschale (auch an Vorstandsmitglieder) durch die Satzung explizit erlaubt/geregelt sein?
    Wenn Vorstandsmitglieder diese erhalten: Vorsichtshalber ja. Es ist zwar umstritten, ob für andere Tätigkeiten als die originäre Vorstandstätigkeit eine Satzungsregelung vorliegen muss. Ich würde aber dazu raten, hier kein Risiko einzugehen und eine entsprechende Regelung in die Satzung aufzunehmen.

    3. Sind nach Verlust der Gemeinnützigkeit für ein Jahr die Einnahmen insbesondere Mitgliedsbeiträge (Ideeller Bereich), Startgelder (Zweckbetrieb) mit 19% USt. zu belegen?
    Umsatzsteuer fällt nur an, wenn ein Leistungsaustausch gegeben ist (z.B. unechte Mitgliedsbeiträge, ggf. Zweckbetrieb). Die Frage der USt muss bei Ihnen unbedingt geklärt werden, da hier Unsicherheiten bestehen und die Umsatzsteuer viele Fallstricke enthält. Ich kann Ihnen daher nur dringend raten, die Umsatzsteuer durch einen Steuerberater oder Steueranwalt klären zu lassen. Gerne unterstütze ich Sie dabei, kann dies jedoch nicht im Rahmen eines Webinars beantworten, da hierfür eine Beratung notwendig ist, in der ich die Einzelheiten klären kann.

    4. Wenn für ein Jahr die Gemeinnützigkeit entzogen wurde – es jedoch gesagt wurde man solle weiterhin so agieren als ob man gemeinnützig wäre, die bemängelte Sache natürlich nicht mehr machen, es aber auch untersagt wurde aktuell Spendenbescheinigungen auszustellen – ist dann die Zahlung von Ehrenamts-/Übungsleiterpauschale [ohne Satzungsregelung vgl. 1./2.] möglich?
    Auch das kann ich ohne nähere Kenntnisse des Sachverhalts nicht verlässlich beantworten. Nur wenn ich die Einzelheiten genau kenne, kann ich Ihnen dazu eine fundierte Auskunft geben.

    Vor dem Hintergrund, dass die Gemeinnützigkeit schon einmal entzogen wurde, wird das Finanzamt den Verein zukünftig genauer unter die Lupe nehmen. Erneute Fehler werden in keinem Fall glimpflich verlaufen, ganz abgesehen von dem Haftungsrisiko des Vorstands.

    Ich kann Ihnen an dieser Stelle anbieten, eine Erstberatung durchzuführen. Melden Sie sich einfach bei mir, wenn Sie Interesse an einer weitergehenden Beratung haben.

    Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Wochenausklang und verbleibe

    mit besten Grüßen

    Anka Hakert

  2. Andreas Streng sagt:

    Hallo Frau Hakert,

    danke für das gute Webinar.
    Ich hätte noch folgende Fragen:
    1.) Kann eine Ehrenamtspauschale an nicht Vorstandsmitglieder ohne explizite Satzungsnennung genannt werden?
    2.) Muss die Zahlung der Übungsleiterpauschale (auch an Vorstandsmitglieder) durch die Satzung expliziet erlaubt/geregelt sein?
    3.) Sind nach Verlust der Gemeinützigkeit für ein Jahr die Einnahmen insbesondere Mitgliedsbeiträge (Ideeller Bereich), Startgelder (Zweckbetrieb) mit 19% USt. zu belegen?
    4.) Wenn für ein Jahr die Gemeinützigkeit entzogen wurde – es jedoch gesagt wurde man solle weiterhin so agieren als ob man gemeinnützig wäre, die bemängelte Sache natürlich nicht mehr machen, es aber auch untersagt wurde aktuell Spendenbescheinigungen auszustellen – ist dann die Zahlung von Ehrenamts-/Übungsleiterpauschale [ohne Satzungsregelung vgl. 1./2.] möglich?

    Für die Beantwortung wäre ich sehr dankbar.
    Gruß

    Andreas Streng

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