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ALDI-Nord Stiftung: Was darf die Stiftungsaufsicht?

Am 18.05.2022 verkündete das OVG Schleswig sein Urteil betreffend die ALDI-Nord Familienstiftung. Mangels korrekt besetzter Vorstandsämter forderte die Stiftungsbehörde dazu auf, die zwei betroffenen amtierenden (vermeintlichen) Vorstände von ihren Aufgaben zu entbinden und zwei neue zu ernennen. Dagegen wehrte sich die Stiftung – jedoch erfolglos.

Was ist vorgefallen?

Grund für das Einschreiten der Stiftungsaufsicht war die fehlerhafte Ernennung zweier Stiftungsvorstände. Insgesamt gab es vier besetzte Posten. Allerdings wurden zwei von ihnen von einem neu gegründeten Beirat ernannt. Dieser Beirat darf laut Stiftungssatzung ausschließlich Vertreter des Beirates zweier anderer Stiftungen als Mitglieder haben. Dies war hier nicht der Fall, sodass auch dieses Organ nicht korrekt besetzt war.

Hinzu kommt, dass selbst bei einer ordnungsgemäßen Etablierung des Beirats von diesem nur ein Vorstand ernannt werden kann, wenn die Berufung oder Wahl eines solchen im Voraus nicht zustande gekommen ist. Im Ergebnis sind beide Personen keine ordnungsgemäß ernannten Vorstände.

Laut OVG geht mit einem nicht vollständig besetzten Stiftungsvorstand gleichsam eine Beschlussunfähigkeit einher, wenn nach der Satzung für eine wirksame Beschlussfassung die Vorstandsposten zwingend vollständig besetzt sein müssen. In der Folge ergeben sich eine Reihe von Problemen, die durch eine rechtssichere Handhabung der Situation hätten vermieden werden können.

Was tut die Stiftungsaufsicht?

Bei der Stiftungsaufsicht handelt es sich um eine Behörde, die dem Schutz des Stifterwillens dient. Welche Behörde zuständig ist, bestimmt sich nach dem Stiftungsgesetz des jeweiligen Bundeslandes. Anders als Vereine oder Gesellschaften verfügen Stiftungen über kein originäres Kontrollorgan wie eine Mitglieder- oder Gesellschafterversammlung. Zudem wird nach der sogenannten Principal-Agent-Theorie angenommen, dass eine Trennung von Eigentum und Kontrollverantwortung eine mangelhafte Führung zur Folge haben kann. Daher werden Stiftungen einer staatlichen Rechtsaufsicht unterzogen, die zum Ziel hat, die Mitglieder der Stiftungsorgane zu rechtlich korrektem Verhalten und der Beachtung des Stifterwillens anzuhalten.

Dies dient zugleich den Partnern der Stiftungen im Rechtsverkehr. Damit kommt es zu einer Übernahme staatlicher Mitverantwortung für die Verwirklichung des Stifterwillens, zur Erhaltung der Verkehrsfähigkeit der Stiftung als eigentümerloses Rechtssubjekt sowie zum Schutz ihrer Integrität. Im bayerischen Landesrecht geht dies so weit, dass die Aufsichtsbehörde Ansprüche gegen die Organmitglieder für die Stiftung gerichtlich geltend machen kann, wenn diese nicht tätig wird.

Warum schritt die Stiftungsaufsicht ein?

Daher obliegen den Aufsichtsbehörden zahlreiche Eingriffsbefugnisse. Ein Verdacht rechtswidrigen Verhaltens reicht für ein Tätigwerden jedoch nicht aus. Zu beachten ist zudem, dass die Behörden ein Grundsatz der Subsidiarität trifft, sodass sie sich grundsätzlich beim Vorhandensein fakultativer interner Kontrollorgane der jeweiligen Stiftung zurückhalten müssen. Eine Beratungsfunktion kommt der Stiftungsaufsicht, mit Ausnahme der Regelung im bayerischen Landesrecht, grundsätzlich nicht zu.

Gemäß § 11 Hs. 1 des Stiftungsgesetzes Schleswig-Holsteins (StiftG SH) kann die Stiftungsbehörde Beschlüsse und Maßnahmen, die gegen geltendes Recht, die Satzung oder das Stiftungsgeschäft verstoßen, beanstanden und nach Hs. 2 Nicht-Vollziehung oder, wenn möglich, das Rückgängigmachen der jeweiligen Maßnahme verlangen. Ein solcher Fall liegt insbesondere vor, wenn der Bestand der Stiftung als solcher gefährdet ist oder sie sich entgegen geltenden Rechtsvorschriften betätigt.

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Laut dem OVG Schleswig ist ersteres der Fall, wenn der Vorstand beschlussunfähig ist und damit das Erreichen des Stiftungszweckes auf längere Sicht nicht sichergestellt werden kann. Dies ist insbesondere der Fall, wenn nicht mehr (wirksam) über das Vermögen verfügt werden kann, da dieses der Verwirklichung des Satzungszweckes dient. Davon betroffen sind gleichsam Entscheidungen über Ausschüttungen an die Destinatäre. Vorliegend können in der Stiftung zwar Auszahlungen stattfinden, jedoch ohne Legitimation im Innenverhältnis, da diese nicht von dem berufenen Organ, den ordnungsgemäß bestellten Vorständen, getätigt werden.

In welchen Grenzen darf die Stiftungsbehörde tätig werden?

Der Stiftungsbehörde obliegt eine Reihe an Befugnissen. In den jeweiligen Landesgesetzen unterscheiden sich diese oftmals wesentlich. Es besteht jedoch zumeist die Möglichkeit, wie im vorliegenden Fall Maßnahmen oder Beschlüsse zu beanstanden und deren Rückgängigmachung oder Aussetzung der Vollziehung zu verlangen. In einigen Bundesländern wie Hessen, Berlin oder Sachsen steht der Behörde nach Fristsetzung noch das Recht zur Ersatzvornahme zu (§ 14 HessStiftG, § 9 StiftG Bln, § 7 SächsStiftG). Auch die Zusammenlegung von Stiftungen (Ausnahme: Mecklenburg-Vorpommern) ist in den meisten Landesgesetzen vorgesehen. Ebenso kann die Stiftungsbehörde Organmitglieder bei Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder grober Pflichtverletzungen abberufen. In Hessen ist bei schuldhaftem Verhalten zuvor eine Abmahnung notwendig (§ 15 HessStiftG).

Oftmals gibt es weitere Grenzen in Bezug auf die Kontrolle von Familienstiftungen. Die meisten Landesgesetze sehen eine Kontrolle am Maßstab des Bestandsschutzes und der Einhaltung geschützter öffentlicher Interessen vor. In Bremen beschränkt sich das Tätigwerden der Stiftungsbehörden auf den Schutz der Handlungsfähigkeit und orientiert sich im Übrigen an § 87 BGB (§ 17 StiftG BremStiftG), während bspw. in Sachsen, Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt keine Sonderregelungen für die Kontrolle von Familienstiftungen bestehen.

Zudem bleibt eine Verwirkung der Eingriffsbefugnis möglich, wenn die Behörde Kenntnis von dem rechtswidrigen Zustand hat und durch ihr Verhalten bei der Stiftung das Vertrauen schafft, dass sie begründet keinen Gebrauch von den ihr obliegenden Befugnis machen wird.

Wir beraten umfassend im Stiftungsrecht

In Bezug auf die Vielzahl an landesrechtlichen Unterschieden und die Rechtssicherheit Ihrer Stiftung ist es zu empfehlen, sich von einem kompetenten Rechtsanwalt beraten zu lassen. Wir stehen Ihnen hierfür gerne zur Verfügung.

OVG Schleswig, Beschluss v. 18.05.2022 – 3 MB 1/21

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Elmar Krüsmann

Rechtsanwalt Elmar Krüsmann ist auf die Beratung von Nonprofit-Organisationen, Stiftungen sowie vermögenden Privatpersonen spezialisiert. Oftmals ist er dabei auch mit grenzüberschreitendem Bezug tätig.

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