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Aktuelles BMF-Schreiben zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Jugendhilfe und ihrer pädagogischen Leiter

Leistungen von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe werden gemäß § 4 Nr. 25 Umsatzsteuergesetz (UStG) von der Umsatzsteuer befreit. Gleiches gilt auch für „andere Einrichtungen mit sozialem Charakter“, d.h. für Einrichtungen, die z.B. eine Betriebserlaubnis besitzen, wie sie § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) grundsätzlich vorschreibt. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun mitgeteilt, dass diese Betriebserlaubnis auch für den selbständigen pädagogischen Leiter einer solchen sozialen Einrichtung gilt; auch er kommt damit in den Genuss der Umsatzsteuerbefreiung. Die von Jugendhilfeeinrichtungen häufig beschäftigten freien Mitarbeiter werden in dem Schreiben allerdings nicht erwähnt. Ihre Aussichten auf eine Befreiung von der Umsatzsteuer sind damit gering – wenn nicht das Europarecht hilft.

Dem BMF-Schreiben zufolge gilt die Betriebserlaubnis, die dem Träger einer Jugendhilfeeinrichtung erteilt wurde, auch für Unternehmer, die von diesem Träger mit der pädagogischen Leitung dieser Einrichtung beauftragt sind. Voraussetzung sei lediglich, dass der Unternehmer namentlich in der Betriebserlaubnis aufgeführt sei. Ein solcher Vermerk genüge auch bei einem Wechsel des pädagogischen Leiters, wenn die Behörde bescheinigt, dass die Einrichtung ihrer Anzeigepflicht nachgekommen ist und sich der neue Unternehmer als Leiter der Einrichtung eignet. Für den Fall, dass die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, kann der pädagogische Leiter auch als eine „andere Einrichtung mit sozialem Charakter“ gemäß § 4 Nr. 25 Buchst. b, bb UStG anerkannt werden, so das BMF-Schreiben. Dazu müssten seine Leistungen nur vollständig oder zumindest überwiegend von einem Träger der öffentlichen oder der freien Jugendhilfe vergütet worden sein.

So weit so gut für die pädagogischen Leiter einer Jugendhilfeeinrichtung. Aber wie sieht es für die freien Mitarbeiter dieser Einrichtungen aus, den selbständigen Sozialarbeitern? Kommen auch sie in den Genuss der Umsatzsteuerbefreiung? Das BMF-Schreiben schweigt hierzu. Dies ist gerade für diejenigen freien Mitarbeiter problematisch, die in nicht-gemeinnützigen Einrichtungen tätig sind. Nicht-gemeinnützige Einrichtungen können nämlich keine Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe erwirken. Selbst wenn ein freier Mitarbeiter also als Einzelpersonen grundsätzlich eine „Einrichtung mit sozialem Charakter“ sein kann und so die Begünstigung des § 4 Nr. 25 UStG zumindest möglich erscheint (siehe schon Nonprofitrecht aktuell (NPR) 03/2008 zur alten Gesetzeslage), scheidet eine Umsatzsteuerbefreiung für ihn doch aus, weil die Vorschrift des § 4 Nr. 25 Buchst. b, bb UStG nie erfüllt sein wird: Der freie Mitarbeiter erhält seine Vergütung eben nicht von einem freien Träger der Jugendhilfe, so lange der Träger nicht gemeinnützig ist. Auch die weiteren Befreiungstatbestände des § 4 Nr. 25 UStG (Besitz einer Erlaubnis nach SGB VIII oder Erbringung von Leistungen der Kindertagespflege) werden regelmäßig nicht eingreifen.

Nach deutschem Recht erbringt der freie Mitarbeiter also umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Einen Ausweg könnte höchstens das Europarecht bieten: In der unterschiedlichen Besteuerung des Trägers einerseits und des freien Mitarbeiters andererseits könnte man nämlich eine europarechtswidrige Ungleichbehandlung erblicken. Der Bundesfinanzhof (BFH) vertritt zwar bislang die Auffassung, dass auch nach europarechtlichen Grundsätzen „Einrichtungen mit sozialem Charakter“ nur solche Personen sein können, die in einer direkten Vertragsbeziehung mit den Jugendämtern bzw. den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe stehen (siehe Nonprofitrecht aktuell (NPR) 02/2009). Neuere Gerichtentscheidungen deuten aber einen Kurswechsel an: So hält das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 27.05.2013 eine Umsatzsteuerbefreiung des freien Mitarbeiters zumindest dann für möglich, wenn der Träger mit den Jugendämtern Verträge schließt und allen Beteiligten klar ist, dass mit den Geldern auch die freien Mitarbeiter vergütet werden. Und immerhin betont auch der BFH den Grundsatz der Gleichbehandlung und der steuerlichen Neutralität in seinem Urteil vom 19.03.2013 (siehe Nonprofitrecht aktuell (NPR) 2013, 34 und 05/2011), auch wenn der Fall sich um die Umsatzsteuerbefreiung ambulanter Pflegedienste drehte und die Schlussfolgerungen des BFH daher nicht eins zu eins auf den hier vorliegenden Fall übertragen werden können.

HINWEIS: Trotz der beschriebenen Tendenzen sind die Erfolgsaussichten von Einsprüchen gegen ungünstige Umsatzsteuer-Bescheide momentan eher gering. Solange es keine gefestigte Rechtsprechung zu dieser Problematik gibt, werden die Finanzämter ihre Haltung vermutlich nicht ändern. Betroffenen Steuerpflichtigen bleibt daher der Weg zu den Finanzgerichten wohl nicht erspart.

BMF, Schreiben v. 08.07.2013, Az. IV D 3 – S 7183/11/10001.
FG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 27.05.2013, Az. 7 V 7322/12.
BFH, Urteil v. 19.03.2013, Az. XI R 47/07.

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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