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Ablehnung von Bewerbern für Stipendium muss transparent sein

Absagen an Bewerber sind heikel, weil sie gerichtlich überprüfbar sind. Das zeigt der Fall, über den das Landgericht (LG) Saarbrücken am 6. März 2015 entschieden hat. Die verklagte Stiftung muss nun dem abgelehnten Bewerber, der die Klage angestrengt hatte, in anonymisierter Form darlegen, nach welchen Kriterien die Auswahl getroffen wurde, inwiefern die Bewerber für das von der Stiftung ausgelobte Stipendium qualifiziert waren und in welchen Punkten die erfolgreichen Bewerber besser waren als der Kläger.

Voraussetzungen des Auswahlverfahrens

Das Europa-Institut der Universität des Saarlandes hatte ein Stipendium für einen juristischen Masterstudiengang ausgeschrieben. Das schriftliche Auswahlverfahren nannte als Voraussetzung, dass sich „begabte, junge Studierende aus aller Welt mit abgeschlossenem Studium (…) und mit sehr guten englischen und/oder deutschen Sprachkenntnissen“ bewerben konnten. Außerdem verlangte das Europa-Institut (das eine vom Saarland gegründete Stiftung des bürgerlichen Rechts ist) einen sehr guten Studienabschluss sowie ein Motivationsschreiben. Nach einer Vorauswahl traf der Stiftungsvorstand die endgültige Auswahl, wobei Bewerber keinen Rechtsanspruch auf ein Stipendium hatten.

Begründung für die Ablehnung des Stipendiums

Ein Masterabsolvent der Universität des Saarlandes bewarb sich auf das Stipendium. Er hatte sein Studium „Europäische Integration“ mit Bestnoten abgeschlossen und war inzwischen als Rechtsanwalt zugelassen. Auf seine Bewerbung hin erteilte die Stiftung ihm eine Absage und begründete diese mit der starken Nachfrage für nur ein verfügbares Stipendium. Mehrmals bat der Abgelehnte das Institut um eine ausführliche Begründung für die Ablehnung und hegte alsbald den Verdacht, dass ihm das Stipendium nur deshalb nicht gewährt worden war, weil er Mitglied der NPD war. So erhob er beim Amtsgericht Klage auf Auskunft, warum er das Stipendium nicht erhalten habe.

Keine allgemeine Auskunftspflicht

Das LG Saarbrücken sah sich nach eigener Aussage mit einem bisher ungeklärten Rechtsproblem konfrontiert – nämlich mit der Frage, ob und in welchem Umfang der Bewerber für ein Stipendium von dem privaten Stipendiengeber Auskunft über die Auswahlentscheidung verlangen kann. Dem Gericht zufolge ergibt sich der Rechtsanspruch des abgelehnten Bewerbers aus anerkannten Grundsätzen des Zivilrechts. Eine allgemeine Auskunftspflicht sei unserer Rechtsordnung zwar fremd. Voraussetzung sei stets eine besondere rechtliche Beziehung zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten, so das Gericht. Im Rahmen eines solchen Schuldverhältnisses bestehe ein Auskunftsanspruch dann, wenn der Berechtigte ein schutzwürdiges Interesse an der Auskunft hat. Außerdem müsse der Schuldner Auskunft geben, wenn sich der Berechtigte in einem entschuldbaren Irrtum über sein Recht befindet, der Schuldner aber unschwer Auskunft erteilen kann. Generell setzten Auskunftsansprüche deshalb ein Informationsgefälle zwischen den Beteiligten voraus, so das Landgericht.

Wissensgefälle zwischen Bewerber und Stipendiengeber

Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Erwägungen vertrat das LG Saarbrücken die Auffassung, dass dem Kläger ein Anspruch auf Auskunft zustand. Es habe eine besondere Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten bestanden, die einen solchen Anspruch rechtfertige. Der Bewerber dürfe darum verlangen, dass seine Bewerbung in einem transparenten und fairen Verfahren berücksichtigt wird. Das ergebe sich auch daraus, dass die Beklagte als private Stiftung von einem Hoheitsträger gegründet und mit öffentlichen Mitteln ausgestattet wurde, so das Gericht. Auch habe das erforderliche Wissensgefälle zwischen Kläger und Beklagtem bestanden. Der Bewerber müsse nachvollziehen können, ob es ein transparentes Auswahlverfahren gab, damit er dieses gegebenenfalls gerichtlich überprüfen lassen könne. Auch müsse der Bewerber seine Qualifikation mit der seiner Mitbewerber vergleichen können. Allerdings habe der Kläger keinen Anspruch darauf, namentlich zu erfahren, wer die Auswahl getroffen hat. Der Auskunftsanspruch diene nicht dazu, dem Kläger Zeugen zu liefern, um etwaige Sekundäransprüche durchsetzen zu können.

Fazit: Bauchgefühl spielt auch eine Rolle

Der Auskunftsanspruch, den das LG Saarbrücken dem Kläger zubilligt, ist relativ weitgehend. Zwei Gedanken dazu: Geht es um Prüfungsentscheidungen einer Behörde, steht dieser ein Beurteilungsspielraum zu. Es ist anerkannt, dass die Gerichte dabei nur einen sehr eingeschränkten Prüfungsmaßstab anlegen können, auch als Ausdruck der Gewaltenteilung. Fraglich ist, ob bei einer von einem Bundesland errichteten Stiftung nicht ähnliches gelten muss. Es stellt sich zudem die Frage, ob die Schutzpflichten, die sich aus einem Schuldverhältnis ergeben, tatsächlich so weit reichen, dass dem „Anbieter“ eines Jobs oder eines Stipendiums ausführliche Begründungspflichten im Falle der Ablehnung auferlegt werden können. Neben dem gigantischen Aufwand, den das bedeuten würde, gibt es schließlich auch so etwas wie ein Bauchgefühl, ob man wirklich mit einer bestimmten Person für die nächste Zeit zusammen arbeiten möchte bzw. kann oder nicht bzw. ob man diese Person mit Geldleistungen unterstützen will. Die Revision hat das Landgericht jedenfalls zugelassen.

LG Saarbrücken, Urteil vom 06.03.2015 – Az. 10 S 125/14

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Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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