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Auslandsspenden: Struktureller Inlandsbezug passé?

Das Finanzgericht (FG) Köln hat verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen § 10b Abs. 1 S. 6 EStG (sog. struktureller Inlandsbezug). Ein Ausschluss der Abzugsfähigkeit von Auslandsspenden kommt danach nur dann in Betracht, wenn die Möglichkeit der Ansehenssteigerung Deutschlands durch die ausländische Empfängerkörperschaft evident ausgeschlossen ist.

Abzugsfähigkeit von Auslandsspenden noch immer problematisch

Die ausländischen Empfängerkörperschaften müssen nämlich immer noch zusätzlich zu ihren nationalen Vorgaben auch die deutschen formellen und materiellen Gemeinnützigkeitsvorschriften beachten, damit die Spenden von Steuerpflichtigen in Deutschland steuerlich Berücksichtigung finden können. Die Erfüllung der umfangreichen deutschen Gemeinnützigkeitsvorschriften ist für die meisten ausländischen Körperschaften aber nahezu unmöglich.

Hinzu kommt, dass die Spender die Beweislast für die Erfüllung dieser Voraussetzungen durch die Empfängerkörperschaft tragen und ohne Mitwirkung der ausländischen Empfängerkörperschaft die erforderlichen Nachweise meist nicht beschaffen können. Zu allem Überfluss stellt § 10b Abs. 1 S. 6 EStG noch eine weitere Hürde auf: Die Tätigkeit des Zuwendungsempfängers muss neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beitragen können (sog. struktureller Inlandsbezug). Wann aber kann die Tätigkeit einer ausländischen Körperschaft zum Ansehen Deutschlands beitragen? Mit dieser Frage hatte sich das FG Köln zu beschäftigen.

Spende zur Fertigstellung einer Kirche in Rumänien

Eine deutsche Steuerpflichtige überwies einer rumänischen Körperschaft des öffentlichen Rechts, die kirchliche Zwecke verfolgte, 15.000 Euro für die Fertigstellung einer Kirche. Der Name der Spenderin wurde in den Boden des Altars eingraviert. Darüber hinaus wird die Spenderin seitdem bei jeder Messe, die in der Kirche abgehalten wird, mittels Fürbitten namentlich erwähnt. In der örtlichen Presse wurde das Engagement der Spenderin aus Deutschland erwähnt. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen als Spende gleichwohl ab: der strukturelle Inlandsbezug fehle. Dagegen klagte die Spenderin.

Struktureller Inlandsbezug für die Praxis ungeeignet

Der strukturelle Inlandsbezug wird in der Literatur wegen fehlender Normenklarheit und wegen erheblicher Auslegungsunschärfen als für die praktische Rechtsanwendung völlig ungeeignet angesehen und wegen seiner vagen Formulierung und eines fehlenden vollzugsfähigen Inhalts als inhaltsleer und für die praktische Rechtsanwendung ungeeignet kritisiert.

Ferner wird die Regelung vielfach für europarechtswidrig gehalten. Denn nach Auffassung der Finanzverwaltung (AEAO Nr. 7 zu § 51 Abs. 2 AO) ist bei in Deutschland ansässigen Organisationen der Inlandsbezug ohne besonderen Nachweis schon dadurch erfüllt, dass sie sich personell, finanziell, planend, schöpferisch oder anderweitig an der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke im Ausland beteiligen (Indizwirkung). Die Voraussetzung des strukturellen Inlandsbezugs wendet sich damit ganz offensichtlich gezielt und nur gegen ausländische Körperschaften.

Potenzielle Ansehenssteigerung schwer zu prüfen

Das FG Köln teilt diese Kritik und weist darauf hin, dass nicht einmal ansatzweise ersichtlich sei, wie und anhand welcher Maßstäbe die potenzielle Ansehenssteigerung zu prüfen sei. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot verpflichte den Gesetzgeber, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Normenklarheit und der Justiziabilität entsprechen. Dem werde die Vorschrift nicht gerecht.

Die gebotene verfassungs- und europarechtskonforme Auslegung der Norm führe daher zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzung des strukturellen Inlandsbezugs bereits dann erfüllt seien, wenn die Ansehenssteigerung Deutschlands nicht evident ausgeschlossen sei.

Struktureller Inlandsbezug unwirksam?

Der strukturelle Inlandsbezug ist in der Praxis wegen seiner Unschärfe äußerst problematisch. Zu begrüßen ist, dass das FG Köln die europarechts- und verfassungsrechtliche Problematik erkannt hat und die Vorschrift auf eine Art und Weise konkretisiert, wonach ihr nur noch ein kleiner Anwendungsbereich zukommt. Das Finanzamt hat freilich Revision zum BFH eingelegt.

Es bleibt abzuwarten, ob der BFH sich den verfassungs- und europarechtlichen Bedenken anschließen wird und dem BVerfG oder dem EuGH oder gar beiden Gerichten die Frage der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz bzw. dem Europarecht vorlegen wird. Wir gehen mit dem FG Köln von der Unwirksamkeit der Vorschrift aus bzw. davon, dass sie derart eng auszulegen ist, dass ihr praktisch kaum noch Relevanz zukommt.

Spenden an in Deutschland ansässige Körperschaft

Für die Beratungspraxis ändert sich gleichwohl wenig: Wer Spenden ins Ausland tätigen will, sollte sich möglichst an eine deutsche gemeinnützige Körperschaft wenden, die in der gewünschten Zielregion aktiv ist, und dieser in Deutschland ansässigen Körperschaft seine Spende zukommen lassen. Der Spender vermeidet so unnötigen und langwierigen Ärger mit seinem Finanzamt.

Will der Steuerpflichtige trotz aller rechtlichen Probleme direkt ins Ausland spenden, sollte er sich – steuerlich beraten und vor der Leistung seiner Spende – an die Empfängerkörperschaft wenden und sämtliche erforderlichen Nachweise beschaffen, die er seinem Finanzamt wird vorlegen müssen. Unsere erfahrenen Anwälte beraten Sie gerne dazu. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

FG Köln, Urteil vom 20.01.2016, Az. 9 K 3177/14

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Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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