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Deutsche Generalanwältin plädiert für Umsatzsteuerbefreiung von Bitcoin

Wie wir in der Vergangenheit berichtet haben, gibt es unter den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union unterschiedliche Ansichten zur Umsatzsteuerpflicht von Bitcointransaktionen. Um diese Frage verbindlich zu klären, läuft zurzeit ein Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). Nachdem vor einem Monat die mündliche Anhörung stattfand, liegt seit letzter Woche nun auch die Stellungnahme der deutschen Generalanwältin beim EuGH Juliane Kokott vor.

Bitcoin ist ein Zahlungsmittel

Eine positive Nachricht für alle Bitcoinenthusiasten ist, dass Frau Prof. Kokott zunächst feststellt, dass Bitcoin ein reines Zahlungsmittel darstellt. Sie sieht Bitcoin somit auf einer Stufe mit Gutscheinen oder sog. „Punkterechten“. Solche dienen wie gesetzliche Zahlungsmittel einzig und allein der Entgeltentrichtung. Die bloße Entgeltentrichtung stellt jedoch keine umsatzsteuerbare Leistung dar.

Die Übertragung von Bitcoin als solche  ist somit nach Ansicht der Generalanwältin nicht umsatzsteuerpflichtig. Lediglich in Höhe des geplanten Aufschlags gegenüber dem Umtauschkurs auf einem bestimmten Umtauschportal liegt eine umsatzsteuerbare Leistungserbringung gegen Entgelt vor. Dieser Ansicht, die der EuGH auch beim Devisenhandel folgt, ist unumwunden zuzustimmen, da hierdurch die grundsätzliche Funktion von Bitcoin erkannt wird.

Ausnahme nach Art. 135 Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Im zweiten Schritt stellt sich dann die Frage, ob die Gebühr bzw. der Preisaufschlag beim An- und Verkauf von Bitcoin durch entsprechende Handelsplätze umsatzsteuerfrei ist. Hier prüft Frau Kokott ob eine der Ausnahmen in Art. 135 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) einschlägig ist. Zunächst stellt sie fest, dass Bitcoin keine Wertpapiere sind und eine Mehrwertsteuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchstabe f MwStSystRL somit nicht in Frage kommt. Interessant ist jedoch, dass Frau Kokott auch eine Ausnahme nach Art. 135 Abs. 1 Buchstabe d MwStSystRL ausschließt. Hierauf haben sich unter anderem Großbritannien und Spanien berufen, wobei Spanien  Bitcoin als „sonstiges Handelspapier“ einstuft. Dem erteilt Frau Kokott jedoch eine Absage, da sich die Varianten des Buchstaben d auf Derivate von Währungen beziehen.

Überraschenderweise sieht Frau Kokott jedoch die Ausnahme nach Art. 135 Abs. 1 Buchstabe e MwStSystRL als einschlägig. Diese befreit „Umsätze — einschließlich der Vermittlung -, die sich auf Devisen, Banknoten und Münzen beziehen, die gesetzliches Zahlungsmittel sind“ von der Mehrwertsteuer. Diese Ausnahme wurde bisher so verstanden, dass nur Umsätze im Zusammenhang mit gesetzlichen von der Mehrwertsteuer befreit werden soll. So schreibt auch die Bundesregierung in ihrer Eingabe an den EuGH, dass Bitcoin trotz ihrer Funktion als Recheneinheit mangels gesetzlichen Annahmezwangs nicht unter diesen Befreiungstatbestand gefasst werden können.

Unterschiedliche Sprachfassungen geben den Ausschlag

Frau Kokott analysiert neben der deutschen jedoch auch die anderen Sprachfassungen der MwStSystRL. So spricht die englische Fassung von „currency“, also im Singular, so dass beim Tausch nur auf der einen Seite ein gesetzliches Zahlungsmittel beteiligt sein müsse, wie dies beim Tausch von Bitcoin gegen Schwedische Kronen der Fall sei. In der finnischen Fassung sei das Merkmal des gesetzlichen Zahlungsmittels nur für Banknoten und Münzen, nicht aber für Devisen vorgeschrieben. Bitcoin als digitale Währung würde also nicht darunter fassen. Italien verlange in seiner Variante nicht einmal den Vorbehalt des gesetzlichen Annahmezwangs, sondern nur die Möglichkeit, seine Schulden mit der Währung bezahlen zu können, die die jeweiligen Parteien vereinbart haben.

Umtausch von Euro gegen Bitcoin umsatzsteuerfrei?

Aufgrund dieser doch sehr unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedsstaaten beantwortet Frau Kokott die Frage der Umsatzsteuerfreiheit nach dem Sinn und Zweck des Art. 135 Abs. 1 Buchstabe e MwStSystRL, der darin liege, den Zahlungsverkehr und Umtausch reiner Zahlungsmittel nicht zu behindern. Diesem Ziel entsprechend muss nach Ansicht von Fr. Kokott auch der Umtausch von gesetzlichen Zahlungsmitteln gegen Bitcoin umsatzsteuerfrei gestellt werden.

Ob diese rechtliche Würdigung der deutschen Generalanwältin vor dem EuGH Bestand haben wird bleibt abzuwarten. In einem Großteil der Fälle folgen die Richter jedoch den Einlassungen der Generalanwälte. Die Stellungnahme von Frau Kokott ist somit ein positives Signal an die europäische Bitcoincommunity. Wir halten Sie hier im Blog über den weiteren Gang des Verfahrens auf dem Laufenden.

Weiterlesen:
Mündliche Anhörung vor EuGH: Umsatzbesteuerung von Bitcoin
Spanien erklärt Umsatzsteuerfreiheit von Bitcoin

Benjamin Kirschbaum

Rechtsanwalt Benjamin Kirschbaum ist vor allem in den Bereichen Blockchain und Kryptowährungen sowie im allgemeinen Zivilrecht, Gemeinnützigkeitsrecht, Verwaltungsrecht und Kirchenrecht/Religionsrecht tätig.

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