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Arbeitnehmerüberlassung: Hohe Risiken für Gemeinnützige

Wer zu unbedarft Arbeitnehmer bei Dritten arbeiten lässt, kann in Teufels Küche kommen. So geschehen im Fall eines Vereins, der eine pädagogische Schulassistentin in einer öffentlichen Schule arbeiten ließ. Diese klagte erfolgreich gegen den Träger der Schule auf Feststellung, dass nicht (mehr) der Verein ihr Arbeitgeber sei, sondern der Träger der Schule.

Schulassistentin in Schulorganisation eingegliedert

Eine pädagogische Schulassistentin arbeitete als Angestellte eines Vereins in einer öffentlichen Schule. Zu ihren Aufgaben zählte die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit nichtdeutscher Herkunftssprache und mit ausgewiesener Lese-Rechtschreibschwäche. Die administrativen Angelegenheiten und das Direktionsrecht für die Schulassistentin übte der Verein formal aus. Allerdings sah der Kooperationsvertrag zwischen dem Verein und dem Träger der Schule vor, dass die Schulassistentin während der Erbringung ihrer Dienstleistungen in der Schule in die schulorganisatorischen Abläufe eingebunden war und im Rahmen der festgelegten Maßnahme und im Sinne des Hausrechts Einzelanweisungen der Schulleitung entgegennahm.

Leiharbeitsverhältnis?

Das LAG Bremen schloss aus der Gesamtschau der tatsächlichen Verhältnisse, dass der Verein das arbeitgeberseitige Direktionsrecht, also das Recht, die Arbeitsleistung nach Inhalt, Ort und Zeit nach billigem Ermessen näher zu bestimmen, auf den Träger der Schule übertragen hatte. Es handelte sich daher um ein Leiharbeitsverhältnis, was deswegen für die Beteiligten höchst problematisch war, weil der Verleiher eines Leiharbeitnehmers nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bedarf. Der Verein verfügte zu diesem Zeitpunkt aber nicht über eine solche Erlaubnis.

Träger der Schule ist neuer Arbeitgeber!

Die Konsequenzen einer fehlenden Erlaubnis sind denkbar hart: §§ 9, 10 AÜG ordnen an, dass der Vertrag zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Verleiher (hier: dem Verein) unwirksam ist und in Folge dessen der Arbeitsvertrag als mit dem Entleiher (hier: dem Träger der Schule) zustande gekommen gilt. Der Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers ist ab dem Beschäftigungszeitpunkt – d.h. rückwirkend – also der Entleiher, der gerade keinen Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer schließen wollte.

Unachtsamkeit kann strafrechtliche Konsequenzen haben

Hinzu kommt, dass Verstöße gegen das AÜG Ordnungswidrigkeiten darstellen und sogar strafrechtliche Konsequenzen haben können. Die Praxis zeigt zudem, dass die zuständigen Behörden mit der Verhängung von Bußgeldern nicht zögern – übrigens auch nicht im Nonprofit-Sektor. Die Geschäftsleiter können aufgrund eines Verstoßes auch als unzuverlässig eingestuft werden, was einer weiteren Berufsausübung entgegenstehen kann. Damit nicht genug: Der Verein könnte Probleme mit dem Träger der Schule bekommen. Denn nicht selten enthalten Kooperationsverträge Schadensersatz- und Strafklauseln, um den Entleiher zumindest finanziell zu schützen. Der Träger der Schule wiederum hat nun eine neue Mitarbeiterin, die er gar nicht wollte. Freuen kann sich nur die Schulassistentin: Sie hat nun einen sicheren Arbeitgeber, der sie nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst bezahlen muss.

Vorsicht beim Einsatz von Fremdarbeitnehmern

Beim Einsatz von Fremdarbeitnehmern ist stets große Vorsicht geboten und eine umfassende rechtliche Beratung im Vorfeld unabdingbar. Ein versierter Berater erkennt schnell die Probleme und kann häufig geeignete Gestaltungen aufzeigen, um sie zu vermeiden. Das Siegel „Gemeinnützigkeit“ hilft jedenfalls nicht. Das AÜG gilt für sämtliche Arbeitsverhältnisse. Ausnahmen für Vereine und gemeinnützige Organisationen sieht es nicht vor. Gerne beraten Sie unsere spezialisierten Anwälte umfassend zur Überlassung von Arbeitnehmern.

LAG Bremen, Urteil vom 12.07.2016, Az. 1 Sa 70/15

Weiterlesen:
Arbeitnehmerüberlassung: Besondere Anforderungen an die Arbeitsvertragsgestaltung
Gemeinnützige Arbeitnehmerüberlassung: Fallstricke vermeiden

Ellen Pusch

Rechtsanwältin Ellen Pusch hat sich am Standort München auf das Arbeitsrecht und als zertifizierter Testamentsvollstrecker (DVEV) auf das Erbrecht spezialisiert. Sie gestaltet und optimiert Arbeits-, Aufhebungs- und Abwicklungsverträge und begleitet Umstrukturierungsvorhaben und M&A-Transaktionen (Betriebsübergänge).

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